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-sr^£> BRUNO HEROUX
Schneider je bedrohen konnte: die Erfindung
der Zinkographie. Heroux hat (nicht wie
andere seiner Zunftgenossen, die mit Geringschätzung
auf die neue Erfindung herabblickten)
ihre Bedeutung für die moderne Illustrationskunst
sofort erkannt, und er entschloß sich,
Kaufmann zu werden, aber er hospitierte
zugleich weiter auf der Akademie und schloß
sich namentlich an den inzwischen nach Dresden
berufenen Professor Wehle an, der ihn
ermutigte, Maler zu werden. Nach weiteren
zwei Jahren, in denen er die Akademie besuchte
, machte er sich „selbständig", d. h. er
versuchte, da ihm die Unterstützung der
Seinigen drückend wurde, im Kampfe ums
Dasein auf eigenen Füßen stehend, durch seine
Kunst sich eine Existenz zu bereiten. Strebsamkeit
, Fleiß, Ausdauer und die eminent entwickelte
zeichnerische Gabe, die seinem Talent
den Weg gewiesen hat, haben den jungen
Künstler schnell seinem Ziele zugeführt. Für
den, der, wie es hier geschieht, auch nur in
Kürze eine solche Künstlerexistenz verfolgt,
ist es ein Bedürfnis, die Tüchtigkeit dieses
Mannes rühmend hervorzuheben.
Die oben erwähnten Arbeiten für einen
anatomischen Atlas zeigen, daß Heroux' Kunst
nach Brot gehen mußte. Freilich hat er sich
auch durch seine wunderbar exakten, technisch
meisterhaften Zeichnungen, die er von zahlreichen
anatomischen Präparaten für das von
dem Leipziger Professor Spalteholz herausgegebene
, bei Hirzel erschienene anatomische
Werk im Laufe der Jahre angefertigt hat, in
der medizinischen Wissenschaft einen Namen
gemacht, daß Heroux unter den für wissenschaftliche
Zwecke brauchbaren Zeichnern in
Deutschland gegenwärtig unbedingt an erster
Stelle steht. Indessen, wenn eine solche Tätigkeit
auch sehr viel Anerkennung einbringt, den
Künstler, der schaffensfreudig genug und ehrgeizig
ist, sich selbst in seinen Werken zu
geben und seiner Phantasie Raum zu gönnen,
wird sie auf die Dauer umso weniger befriedigen,
als gerade die Kreise, die er mit seinen Werken
erfreuen möchte, von ihnen unberührt bleiben.
So hat sich denn Heroux in dem Bedürfnis,
zu Kunstfreunden reden zu dürfen, graphischen
Arbeiten zugewendet; die ersten waren
vor etwa drei Jahren bei Gelegenheit der Einweihung
des Leipziger Künstlerhauses ausgestellt
und erregten trotz ihrer Anspruchs-
losigkeitbei Kennern und Fachleuten Aufsehen.
Max Klinger sprach sich sehr anerkennend
aus, und auch Adolf Menzel äußerte sich über
die Vorzüglichkeit der Blätter des jungen
Leipziger Künstlers. Seit jener Zeit hat
Heroux vielfach ausgestellt, stets mit steigendem
Erfolg, und außer Privatsammlern haben
einzelne öffentliche Sammlungen seinen Arbeiten
ihre Aufmerksamkeit zugewandt. Das
Leipziger Museum dürfte die Reihe beinahe
vollständig besitzen, da man es als Ehrensache
angesehen hat, das Werk des vortrefflichen
Künstlers beisammen zu haben.
Heroux hat sich in selbständigen Arbeiten,
d. h. solchen, die er nicht im Auftrage von
Verlagsbuchhändlern ausführte, in den verschiedensten
Arten der graphischen Technik
versucht. Er beherrscht die Lithographie,
Radierung, Kaltnadelarbeit und den Holzschnitt
, von dem er ausgegangen ist; sein
technisches Geschick und die Leichtigkeit,
mit der er den Griffel auf der Stein- und
Kupferplatte zu führen weiß, hat ihm auch
das Verfahren erschlossen, mit dem Her-
komer die Kupferplatte auf galvanischem
Wege zur Vervielfältigung hergerichtet hat.
Großen phantastischen Kompositionen, wie sie
Greiners Steinzeichnungen darstellen, und
zyklischen Folgen, wie wir sie Klinger und
anderen Modernen verdanken, begegnen wir
in Heroux' Kunst nicht: es dürfte ihm hierfür
nicht an der nötigen Begabung, als vielmehr
an der zu größeren Arbeiten nötigen Zeit gefehlt
haben. Was wir von ihm bisher besitzen
, sind kleinere Einzelblätter, bald Studien
nach dem nackten Körper, dessen anatomischen
Bau er vermöge seiner Berufstätigkeit
mit einer wunderbaren Anschaulichkeit
darzustellen weiß, bald Porträtköpfe, bald
allerhand sonstige Studien, die, vor der Natur
entstanden, vom Künstler der Vervielfältigung
für wert gehalten wurden. Mit besonderem
Glück hat sich Heroux dem Holzschnitt zugewandt
, der Kunst, der er einst entsagt
hatte, weil es schien, als ob ihr letztes Stündlein
geschlagen habe. Es ist bei ihm aber
nicht der elegante Tonschnitt, den das Illustrationsbedürfnis
unserer Zeitschriften ausgebildet
hat, sondern die stilgerechte Sticheltechnik
, der Stich, wie ihn das Werkzeug
(der Stichel) und das Material (Buchsbaumholz)
bedingen. Wir irren vielleicht nicht, wenn
wir in dieser Behandlung des Holzschnittes,
in der Rückkehr zu der primitiveren Art
längst vergangener Zeiten, in dem Aufgeben
des modernen Tonschnittes die zukünftige
Bedeutung der Xylographie erblicken. Neben
Krüger und anderen hat Heroux den Beweis
geliefert, daß der Holzschnitt nicht eine die
Ideen anderer reproduzierende, sondern selbständige
Kunst ist, was sie von Haus aus
war und wieder sein kann, wenn sie sich
innerhalb der Grenzen hält, die, wie unser
Künstler es richtig betont, Material und In-
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