Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 7. Band.1903
Seite: 209
(PDF, 173 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_07_1903/0241
-a=4sö> OESTERREICHISCHE KUNSTPFLEGE <^=^

deren Formenverständnis höchstens bis zum
Empire geht und deren modernes Kunstbedürfnis
in Sportbildern ihr Genüge findet.
Diese Kreise waren es, welche an höchster
Stelle die Umwertungen, die Bestrebungen,
die Ziele der neu-österreichischen Kunstbewegung
im Lichte einer marktschreierischen,
mit verwerflichen Mitteln arbeitenden Sensationsmache
erscheinen ließen. — Als nun
der Fall eintrat, daß die Professoren der
Kunstakademie, von denen alle, außer zweien,
der alten Richtung angehören, trotzdem Klimt
einstimmig zur Professur vorschlugen; als
nun der Unterrichtsminister diesen Vorschlag
der Krone zur Bestätigung unterbreitete, da
geschah das Unerwartete. Die Bestätigung
erfolgte nicht. Wahrlich ein in Oesterreich
seltener Fall, wo die Gepflogenheit herrscht,
solche Korporations-Wahlvorschläge immer
im bejahenden Sinn zu erledigen.

Der künstlich gezüchtete und sorgsam gehütete
Widerstand gegen alle Aeußerungen
eines strengen, unbeugsamen, der schöpferischen
Wahrheit dienenden Kunstschaffens
schlug in helle Empörung über, als in diesem
Frühjahr Klinger's Beethoven ausgestellt
wurde und die Secession für dieses Kunstwerk
eine Raumgestaltung von seltener Empfindungsgröße
schuf. Der Unterrichtsminister
wußte den Wert wohl zu würdigen, welchen
der Besitz einer so herrlichen Plastik für
eine Kunststadt bedeutete. Daher schloss
er sich energisch einer eingeleiteten Aktion
an, welche dahin zielte, die erforderliche Kaufsumme
zu beschaffen. Trotzdem aber nun
Exzellenz von Hartl als Repräsentant der
staatlichen Kunstpflege, trotzdem der Bürgermeister
Dr. Lueger als Machtsprecher des
stadtlichen Kunstfonds die Erwerbung des
Klingerschen Beethoven warm befürwortete,
gelang es der Majorität der Kunstabderiten,
das Projekt durch die schwunghaft betriebene
Verhetzmanier zu Falle zu bringen.

Diese traurigen Zustände, die der Unbildung
, der Unkultur zugeschrieben werden
müssen, sucht die Unterrichtsverwaltung auf
dem Wege der Erziehung zur Kunst zu
bessern. So ist in dieser Richtung die Gründung
einer Modernen Galerie ein wichtiger
Schritt. Exzellenz von Hartl hat bei den notwendigen
, grundlegenden Anfängen zu dieser
Sammlung die Erkenntnis finden können, daß
lange bevor in Oesterreich das Wort „Die
Moderne" geprägt war, lange bevor hier von
einer neuen Richtung gesprochen wurde, der
Kampf gegen ernste, über das Mittelmäßige
herausragende Kunsterscheinungen geführt
wurde. Er mußte vor allem jetzt einige, als

erste österreichische Meister geltende Individualitäten
, deren Werke dem staatlichen
Besitze fehlten, für die moderne Galerie ankaufen
. Waldmüller, der große Lichtneuerer,
welcher, als er im Drange nach Wahrheit
seine „ Andeutungenzurvaterländischen Kunst"
schrieb, dafür seine Professur an der Wiener
Akademie verlor, und mit halbem Gehalt
(vierhundert Gulden) gnadenweise pensioniert
wurde, dieser Märtyrer einer neuen Kunsterkenntnis
wurde von den offiziellen Kreisen
seinerzeit nicht würdig befunden, neben den
kolorierbogenartigen akademischen Bildern
der damaligen Epoche zu figurieren. Nun
musste der Minister in allerletzter Zeit vier
Waldmüllers und Werke von Pettenkofen,
Schindler und Hörmann anwerben, um einer
modernen österreichischen Bildersammlung
die notwendige Basis zu geben. Als wissenschaftlich
geschulter Geist mag Herr von
Hartl wohl gelernt haben, die von früheren
Verwaltungen gemachten Fehler nun selbst
zu vermeiden. Daher befleißigt er sich bei
der Erwerbung von Kunstwerken, die, wie
er sich selbst ausdrückt, „jetzt in idealer
Weise schaffende Künstlerschaft" tatkräftig
zu unterstützen. Natürlich kann er auch dies
nur auf dem Wege des Kompromisses. Für
ein individuelles, ernstes Kunststreben verratendes
Bild müssen neue „der traditionellen
Kunstübung" zugehörende Werke gekauft
werden. Die Majorität lehnt sich sofort gegen
die moderne Erwerbung auf. Die Minorität aber
— der die individuelle Kunst Vertretenden — ist,
obwohl sie die Milderungsgründe einer Zwangslage
gelten läßt, verstimmt über solche der offiziellen
Auffassunggemachten Konzessionen. So
ist der Unterrichtsminister in der angenehmen
Lage, wie immer er handelt, auf jeden Fall von
irgend einer Seite angegriffen zu werden.

Auch dem Kunsthandwerk ist trotz seiner
schönen Entfaltung eine ruhige, stetige Entwicklung
nicht beschieden. Hier aber sind
es nicht äußere Widerstände, die ein einheitliches
Wachstum verhindern, hier ist ein
innerer Konflikt, der zwischen der Leitung
des Oesterreichischen Museums und der Kunstgewerbeschule
besteht, die Ursache eines tiefgehenden
Zwiespaltes. Die Direktion des
Oesterreichischen Museums für Kunst und
Industrie anerkennt die Stilentwicklung nicht,
welche die Professoren der Kunstgewerbeschule
der österreichischen Kunstindustrie
geben. Es macht Stilversuche auf eigene
Faust, propagiert bald die Louis quinze-Kopie,
bald den Biedermeier-, bald den modernen englischen
Stil, und bringt durch diese schwankende
Haltung in die Reihen der Fabrikanten

Die Kunst für Alle XVIII.

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