Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 7. Band.1903
Seite: 244
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«^sg5> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN

VON AUSSTELLUNGEN

UND SAMMLUNGEN

BERLIN. Im Salon Paul Cassirer sind neuere
Bilder einiger Mitglieder der Berliner Secession
zu einer Ausstellung vereinigt worden. Den vorteilhaftesten
Eindruck, weil den eines ernsthaft
strebenden und zielgewissen Künstlers macht
Robert Breyer. Er ist sicher einer der geschmackvollsten
deutschen Maler. Sein schon in
Düsseldorf vielbeachtetes Stilleben — grüne und
blaue Tongefässe neben einer viereckigen Kupferkanne
— erregt auch
hier durch seine
vornehme malerische
Haltung Aufsehen
. Nichtminder
gutwirken seinePor-
träts. Das beste davon
dürfte das einer
älteren Dame in
lichtblauem, mit gelben
Spitzen besetztem
Straßenkleid
gegen eiren grauen
Hintergrund sein;
aber auch das einer
jungen dunkelhaarigen
Dame in weißer
Toilette vor einem
sandfarbenen japanischen
Paravent
verdient als breite
schöne Malerei volle
Bewunderung. Wie
in jenem Stoff und
Spitzen gegeben
sind, in diesem das
Weiß wirkt - das verrät eine nicht gewöhnliche
koloristische Begabung. Weniger gelungen, obschon
noch immer recht anerkennenswert, erscheint das
genrehaft aufgefaßte Bildnis einer jungen, nachdenklich
auf einem Empiresofa sitzenden Frau in
schwarzer Gesellschaftstoilette. Auch in Freilichtdarstellungen
versucht sich Breyer. Sein »Gartenplatz«
und ein junger Offizier in grauem Mantel im
Grünen sind sehr interessante Leistungen. Eine
gewisse Zurückhaltung in der Farbe unterscheidet
sie sehr erkennbar von den sonnigen, volltönenden
Gartenlandschaften Slevogt's, von denen hier ein
paar sehr feine zu sehen sind. Ein äußerst amüsantes
Stück ist ein ganz flüchtig auf die Leinwand
gebrachtes Porträt der Sada Yacco in ganzer Figur
von Slevogt. Noch vor dem d'Andrade entstanden,
hat es in seiner stark vereinfachten Art etwas vom
Plakat, gibt aber besser als irgend eine andere
Darstellung den Reiz der Erscheinung der wunderbaren
Künstlerin. Für Louis Corinth möchte
man nach der Kritiklosigkeit, mit der er hier völlig
verfehlte neuere Arbeiten — ein großes Familienporträt
, das Bildnis einer jungen Dame am Fenster,
ein Seebad und ein mit bloßen Füßen in der Dünung
watendes Fräulein ausstellt, bedenklich
werden. Wenn Gegner der modernen Kunst angesichts
solcher Leistungen den modernen Malern
alles mögliche Böse nachsagen, kann man ihnen
nicht beweisen, daß sie unrecht haben. Eine kleine
gute Stelle auf jedem dieser Bilder vermag deren
große Mängel nicht vergessen zu machen. Wenn
man hier auf einem älteren Bilde Corinths »Diogenes
«, der, von der Straßenjugend verspottet, am

HERMEN ANGLADA
(s. d. nebensteh. Bericht über die Ausstellung
in Schulte's Salon)

Tage mit einer Laterne Menschen sucht, an einem
Greisenakt sieht, über welches enorme Können
der Künstler gebietet, so muß man bedauern,
wie er sich neuerdings gehen läßt. Noch eine Zeitlang
so weiter und sein wohlerworbenes Ansehn
ist dahin. Auch Ulrich Hübner's junger Ruhm
ist in Gefahr. Daß er von den besten französischen
Impressionisten zu lernen strebte, hat ihm niemand
verdacht, daß er jetzt auf einem Motiv Manets -
der sonnenbeleuchteten Villa im Grünen — dauernd
beharrt, wird ihm mit Recht als Nachahmerei ausgelegt
. Auch für seine Flußbilder mit Schiffen hat
er sich ein Schema zurechtgemacht, und die jüngsten
Bilder mit solchen Motiven lassen bereits einen
bedenklichen Mangel an Naturbeobachtung erkennen.
Heinrich Hübner, der Bruder Ulrichs, stellt ein
verfehltes Damenporträt, aber ein hübsches Interieur
mit einem Fenster ins Grüne aus. Bessere Porträtleistungen
zeigen Linde-Walther und Leo von
König, eine gute Landschaft Pottner. Erich
Hancke läßt ein sehr geschickt gemachtes Frauenporträt
sehen. Ein ins Moderne übersetzter Kiesel.
Eine neue Erscheinung ist A. Neumann, der zwischen
vielen ganz bedeutungslosen Landschaften
ein paar intime und selbständige Naturschilderungen
bietet, die entschieden Talent verraten. —
Ed. Schulte führt in seinem Salon zum erstenmal
eine größere Kollektion von Bildern des in
Paris lebenden Spaniers Hermen Anglada vor.
In diesen Bildern offenbart sich eine seltsame
Mischung von kolossalem Temperament und
dekadentem Raffinement, von virtuosem Können
und oberflächlicher Beobachtung. Daumiers groteske
Dämonik und Besnards blendende Farbendialektik
haben ersichtlich auf Anglada gewirkt.
Ihn reizt die künstliche oder morbide Schönheit
des Theaters und der Halbwelt. Er schildert
mit Vorliebe die tollen Windungen tanzender spanischer
Zigeunerinnen, die ostentativ zur Schau
getragenen Reize eleganter Pariser Demimondainen,
die lockenden Blicke und Bewegungen der auffallend
kostümierten Straßendirne. Er bevorzugt die künstliche
Beleuchtung, die das bunte Kleid der Tänzerin
noch greller, den geschminkten Nacken der Cocotte
noch blendender, das gemalte Auge noch blitzender,
das zerstörte Gesicht der kranken Hetäre noch
hektischer erscheinen läßt. Gelb und Grün und
Rot, lasterhafte Farben, läßt er durch sündige
Dunkelheit funkeln. Anglada's tanzende Zigeunerinnen
haben Athletenleiber. Mit ihren muskulösen
Armen könnten sie den Mann, den sie umfangen,
erdrücken. Seine Courtisanen sind krank und bleich,
sie scheinen das Feuer, das ihre morschen Körper
durchlodert, mit Absinth und Morphium zu schüren.
Die Schilderungen des Milieus, in das er solche
Erscheinungen setzt, sind meist sehr gelungen.
»Jardin de Paris« heißt eins seiner Bilder. Man
sieht weiße halbnackte Frauenrücken, große Federhüte
, schwarzgekleidete Herren, leuchtend grüne
Verandabogen und dahinter die Promenadenwege,
durch deren Dunkelheit Lampions schimmern.
»La derniere Soiree« zeigt eine schwindsüchtige
Cocotte in Gesellschaft eines alten Herrn, zu dem
Ingres Bertin Modell gesessen zu haben scheint.
Grundhäßliche Frauenzimmer sind die drei Zigeunerinnen
, die mit eingezogenen Leibern und vorgestreckten
Oberkörpern, trippelnd und kastagnetten-
schlagend beim Beginn ihrer Produktion die Bühne
beschreiten ; aber ihre geblümten dunkelblauen
und roten Gewänder, ihre gestickten Shawls, von
denen einer leuchtend gelb ist, geben einen wunderbaren
Effekt gegen die dunkelgrüne Hinterwand.
Eins der hübschesten Bilder Angladas ist die ele-

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