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DAS BILDERSCHUTZMITTEL VOSS <^=^
»Ueber Oelfarbe und Conservirung der Gemäldegalerien
durch das Regenerations - Verfahren « *)
wörtlich:
>Gleichwie z. B. hölzerne Geräte auch im Zimmer
stets an Gewicht ab- und zunehmen, je nachdem
sie unter verschiedenen Wärme- und Feuchtigkeitsverhältnissen
der Luft Wasser abgeben oder wieder
aufnehmen, so erfolgt dies ebenso bei Bildern;
selbst diese, wenn sie auch vor Regen vollständig
geschützt sind, nehmen aus der Luft Wasser auf
und geben es unter anderen Umständen wieder ab,
und dieser wenn auch noch so geringe Wechsel
im Feucht- und Trockenwerden, obschon viel geringer
als im Freien, hat doch naturnotwendig dieselben
Folgen. Die Oelgemälde in den Galerien
gehen ebenso zugrunde wie Oelanstriche im Freien.
Die Zeit, in welcher beide zugrunde gehen, hängt
nicht von qualitativen, sondern nur von quantitativen
Unterschieden ab. Der Untergang der Oelgemälde
ist daher nur eine Frage der Zeit, wenn nichts geschieht
oder geschehen kann, diese Einflüsse der
Atmosphäre zu beseitigen oder unschädlich zu
machen.«
Pettenkofer empfahl damals die Tränkung der
Rückseite mit Copaivabalsam. Aber auch dieser
*) Zweite Auflage 1902, Braunschweig, Vieweg & Sohn. 3 M.
Pettenkofer widmete das Buch 1870 den Künstlern Münchens.
Daß diese Arbeit, die Pettenkofers Ruhm mitbegründet hat, nach
einem Menschenalter erst in zweiter Auflage erscheint, mag daher
kommen, daß die meisten seiner Ratschläge schon längst in andere
Hand- und Lehrbücher übergeganaen sind. Wenn so viele kostbare
Werke durch Pettenkofers Verfahren gerettet wurden, so wird
der schaffende Künstler, der die hier ausführlich dargelegten Ratschläge
befolgt, von vornherein seine Bilder vor rascher Zersetzung
zu schützen wissen. Durfte doch Pettenkofer die Ansicht aussprechen
, daß bei richtiger Maltechnik und Konservierung Bilder
die gleiche Lebensdauer finden könnten wie die Werke in Marmor
oder Bronze. b.
nimmt der Leinwand ihre hygroskopische Eigenschaft
nicht, da er selbst, wie alle vegetabilen und animalischen
Fette, Oele und Harze, hygroskopisch ist.
Die Versuche, die ich darüber angestellt habe, sind
so leicht vorzunehmen, daß sich jeder selbst davon
überzeugen kann; ich habe Stücke Malleinwand
von der Rückseite mit allen existierenden Fetten,
Oelen und Harzen getränkt und darüber Wasser
gestrichen. Je nach dem Grade der Durchlässigkeit
für Wasser zieht sich die Leinwand zusammen und
krümmt sich mit der grundierten Fläche nach außen,
da diese länger standhält. Aus der stärkeren oder
geringeren Krümmung dieser Stücke bildete ich mir
eine Skala von 9 bis 1, so daß die stärkste Krümmung
mit 9 bezeichnet wurde. Bei Copaivabalsam
musste ich 6 verzeichnen, also noch eine starke
Durchlässigkeit für Wasser.
Die Malleinwand wird jetzt häufig von der Rückseite
schon bei der Fabrikation eingeölt, aber auch
diese Einölung hat so gut wie gar keinen Einfluß
auf die Widerstandsfähigkeit gegen Feuchtigkeit.
Solche Leinwand, hinten naß gemacht, rollt sich
ebenso wie ungeölte Stücke, wie Zimmtstangen zusammen
. Zu dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft gesellen
sich in noch stärkerer Wirkung feuchte
Wände und das wirkliche Naßwerden, welchem die
Rückseite beim Waschen der Bilder eventuell ausgesetzt
ist. Durch den immer wiederkehrenden
Prozeß des Zusammenziehens und Wiederausdehnens
ist die Leinwand in fortwährender Arbeit an dem
Ruin der Bilder begriffen; auch das endliche Verrotten
und Zerfallen der Leinwand ist der Einwirkung
der Feuchtigkeit zuzuschreiben.
Ein wirksamer Schutz dagegen ist mir in einer
Mischung von Vaseline, Paraffinum solidum und
Ceresin gelungen, deren heißer Auftrag auf die
Rückseite schon bei der Fabrikation die Malleinwand
dauernd widerstandsfähig gegen
Feuchtigkeitseinflüsse macht. Derartig präparierte
Leinwand wird demnächst im
Handel erscheinen. Die Wirkung ist behördlich
geprüft und mir dafür das Patent
erteilt worden. Das Bilderschutzmittel,
welches die Firma Günther Wagner, Hannover
und Wien, unter meinem Namen
in den Verkehr bringt, hat noch einen
Zusatz von Terpentin, um die Masse leicht
streichbar, auftragsfähig zu machen, der
Terpentin verdunstet sehr bald, so daß
die Masse ebenfalls in der Leinwand festgesogen
bleibt und diese trocken und geschmeidig
erhält. Wenn man über die
damit getränkte Rückseite eines Stückes
Malleinwand Wasser streicht, so rollt es
in Tropfen darüber hinweg und verdunstet
darauf stehen bleibend, ohne eine Spur
zu hinterlassen. Das Stück bleibt flach
liegen; die Feuchtigkeit kann der Leinwand
nun nichts mehr anhaben, und damit
ist das Wohlerhaltenbleiben der Bilder
gesichert.
Eugen Voss, Königsberg i. Pr.
SPRUCH
Am guten Alten,
In Treuen halten,
Am kräftigen Neuen
Sich stärken und freuen,
Wird niemand gereuen.
Emanuel Geibel
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