Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 7. Band.1903
Seite: 270
(PDF, 173 MB)
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_07_1903/0306
-sr4^> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN

Galerie dem Publikum wieder zugänglich gemacht
worden, das durch seinen außerordentlich zahlreichen
Besuch die gemachten Anstrengungen am
besten belohnt. In der Tat scheint es eine ganz
neue Galerie geworden zu sein; viele Bilder, die
seither kaum beachtet wurden wie »Der Leichnam
Christi« von Giov. Bellini, das Porträt des Dichters
Bembo aus der Schule von Bordone, das Porträt
von Jan van Scorel und andere mehr kommen
jetzt erst zu voller Wirkung und beweisen, daß die
hiesige Galerie doch weit beachtenswerter ist, als
die meisten bisher glaubten. Auch die alte Weisheit
, was ein verschiedenes »Hängen« der Bilder
ausmachen kann, zeigt sich vielfach - - namentlich
bei den alten Meistern — in wahrhaft verblüffender
Weise. Freilich, dazu war vor allem nötig, daß mehr
Raum geschaffen wurde und das ist durch Magazinieren
der großen Gegenbauer'schen Kohlenkartons
geschehen. Das beste von alle n ist wohl
in den Nebenkabinetten der Niederländer geschehen,
die in ihrem blaugrauen und gelblichgrünen Stoffbezug
von ungemein delikater Wirkung sind. Der alte
Teil der Galerie ist überhaupt der gelungenere und
hat durch verschiedene Ueberweisungen teils aus der
Altertumssammlung, teils aus dem Privatbesitz des
Königs eine ganz besondere Anziehungskraft erhalten.
So sind aus erster eine Reihe Bilder von Zeit-
blom, Schaffner, Strigel, Amberger der Galerie
einverleibt worden, während ein Jan Victors, eine
altniederländische Verkündigung »Mariä« und eine
ganz wundervolle > Bauernkirmeß« von Klaes Mo-
lenar aus der Königin Charlotte-Mathilde-Stiftung
stammen und zwar aus dem Schlößchen Monrepos
bei Ludwigsburg. Aus dem Ludwigsburger Schloß
selbst wurden auf Antrag der Galerieinspektion zwei
englische Bilder von dem König der Staatsgalerie
überwiesen — freilich, wie die obengenannten wohl

ALBERT HOFLINGER

nur leihweise. Das eine ist ein sehr feintöniges
Profilporträt eines englischen Prinzen von Thomas
Gainsborough, während bei dem anderen figurenreichen
Bild, König Georg III. inmitten seines Hofstaats
auf der Terrasse zu Windsor darstellend, die
Autorschaft dieses Meisters nicht feststeht. Die
linke in hellem Lichte gemalte Seite des Bildes
könnte wohl von ihm stammen. - - Wie schon gemeldet
, ist seit dem Umbau die Trennung der Galerie
in zwei Hälften, in alte und neue Meister, streng durchgeführt
worden. Die Maler der ersten Hälfte des
vergangenen Jahrhunderts sind — wohl nur provisorisch
— in ziemlich engen Räumen mit Seitenlicht
untergebracht worden, welche der Helligkeit wegen
mit einem weißen Anstrich versehen worden sind.
Dieser Anstrich ist indes nur für solche Bilder
günstig, die einen stumpfen grünlichen, violetten
oder ähnlichen Gesamtton tragen, nicht aber für
Bilder von eigener starker Leuchtkraft wie Rott-
mann's >Epidauros«. Leider hat man Makart's
»Kleopatra< auch in diese Abteilung verpflanzt, wo
sie an einer blauen Wand eines größeren Saals,
deren Ton gegen den blauen Himmel der >Kleopatra<
sehr unglücklich wirkt, und garniert von einer Reihe
kleiner bunter Bilder der Wächter, Schick und
Genossen, nicht zu der pompösen Erscheinung kommt,
wie sie trotz aller Nachdunklung der Farben dieses
unsolidesten aller Maler durch ein glücklicheres
Arrangement leicht hätte erreicht werden können.
Auch sonst ist in der neueren Abteilung nicht alles
einwandfrei; indessen Bilder der Lebenden sind bekanntlich
etwas schwieriger zu hängen, als die der
stillen toten Meister. H. T.

E)ARIS. Ausstellung Marcelin Desboutin (1823 bis
*■ 1902). Im Februar des abgelaufenen Jahres
starb Marcelin Desboutin, Maler und Radierer,
Ritter der Ehrenlegion, grand prix der Centen-
nale von 1900, im Alter von achtundsiebzig
Jahren. Mit ihm war eine der originellsten
Erscheinungen der Pariser Kunstwelt dahingegangen
. Die junge Generation hat ihn nur
als den typischen Bohemien von Montmartre
gekannt, in dem ersten Jahrzehnt des zweiten
Kaiserreichs rechnete er zu den glänzendsten
Vertretern der^ europäischen Geistesaristokratie
. In der Ecole des beaux arts hat man
jetzt eine zahlreiche Kollektion seiner Arbeiten
zusammengebracht, die freilich nur ein unvollständiges
Bild seiner Tätigkeit gibt. Die Zahl
seiner Malereien allein wird auf etwa zweitausend
geschätzt. Doch ist es zweifelhaft, ob
eine noch umfangreichere Aufstellung seinem
Oeuvre größere Konsistenz oder Einheitlichkeit
zu geben vermöchte. Der Gesamteindruck
ist etwas enttäuschend. Als Maler ist er
interessant in zwei, drei Stücken, die sich an
Manet anlehnen. Im übrigen hat er keine
hohe künstlerische Ausdrucksform, keine
eigentliche Anschauung entwickelt. Er schwankt
zwischen Einflüssen des achtzehnten Jahrhunderts
, Reminiszenzen an den Bologneser
Naturalismus, manchmal erinnert er an Engländer
. Etliche Arbeiten, wo er Kolorismus
sucht, haben etwas von der schwerfälligen
trüben Malerei, die für Watts charakteristisch
ist. Stofflich ist er durch und durch Realist;
er, der shakespearehafte Dramen schrieb,
denen ein wilder, romantischer Zauber zugesprochen
wird, der Byrons »Don Juan« übersetzte
, ist als Maler absoluter Beobachter.
Er beschränkt sich fast immer auf eine
Bildnis Figur, die er bildmäßig, mehr genrehaft

270


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_07_1903/0306