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-5r4^> MÜNCHENER SECESSION: FRÜHJAHR-AUSSTELLUNG
RICHARD PIETZSCH AM RAUSCHBERG IM FRÜHLING
Frühjahr-Ausstellung der Münchener Secession
des Saales ist alles. Schlug man sich früher
gegenseitig tot, was wir nicht loben wollen,
so hat jetzt eine Verträglichkeit Platz gegriffen
, die ein wenig gar zu zahm anmutet.
In behutsam zum Ton des Bildes gestimmten
oder in mattem Silber und Altgold gehaltenen
Rahmen hängt da Bild an Bild, alle scheinbar
auf den Grundton der Wandverkleidung
abgestimmt. In Wirklichkeit ist es so: die
Bilder sind nach Maßgabe der Wand gewählt.
Bild und Wand stimmen nicht nur zusammen,
sie sind mitunter im Hauptton geradezu identisch
.
Es ist klar, was dies zu bedeuten hat.
Das Bild führt keine Sonderexistenz mehr;
das Kunstwerk hat nicht mehr Selbstzweck:
es ist zum schmückenden und belebenden
„Fleck" geworden. — Erst gewöhnte man
sich, die Natur nur noch in Bezug auf ihre
„Wirkung", die Gegenstände auf ihren Wert
als „Ton" zu sehen, und dann fuhr man
logisch fort, das ganze Bild nur noch als
dekorativen Gegenstand zu behandeln. Bei
einer ganzen Gruppe von Malern, den Nachahmern
Dills und der Schotten u. s. w. ist
dies nicht so schlimm; ihnen geschieht nur
recht nach ihrem eigenen Willen. Ein hübscher
Perserteppich oder auch ein Buschen falbes
Herbstlaub tun übrigens dieselben, wenn nicht
bessere Dienste. Das Schlimme dabei ist
aber, daß man auch rein naturalistisch und
einfach wahr gesehene Bilder nach derselben
Methode plaziert. Ihre Wirkung beruht durchaus
nicht immer auf der Dauer der Harmonie
, sondern auf interessanten Kontrasten
der Töne und Farben, auf einer „lustigen"
Buntheit. Hängt man nun ein solches, vor der
Natur gemachtes Bild auf einen Hintergrund,
der mit einem Hauptton des betreffenden
Stückes völlig übereinstimmt, so ist die Folge
die, daß dieser Ton rein aufgeschluckt wird, alle
anderen aber eine unbeabsichtigte, anarchische
Selbständigkeit erhalten und der daraus resultierende
Eindruck naturgemäß der einer koloristischen
Katzenmusik sein muß. Dominiert
dagegen in einem solchen, rein auf Wiedergabe
des Natureindrucks ausgehenden Bilde
ein Hauptton, wie dies in der Natur ja gleichfalls
häufig vorkommt, so unterscheidet sich,
bei einer solchen Hängemethode, selbst das
feinst beobachtete, die Natur aufs treueste
wiedergebende Werk optisch nicht im geringsten
mehr von einem willkürlich ,,gestimmtenii
Dekorationsstück.
Uns schienen diese Fragen zu wichtig für
die gedeihliche Fortentwicklung der Mün-
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