http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_07_1903/0373
FRIEDRICH FEHR
MITTAGSSTUNDE
Frühjahr-Ausstellung der Münchener Secession
rist, als ein poetischer Nachempfinder des Dorf-
friedens erweist.
Während die genannten Landschaften vorwiegend
die Ruhe in der Natur schilderten, strebt Hardt
in seinen »Weiden am Wasser« in temperamentvoller
Weise die Wiedergabe des Waltens der bewegten
Elemente an. Schwer schlagen die von kurzen
Windstößen getriebenen Wellen an den Uferrand
und drohend zieht am Horizont das Gewitter
herauf, die ganze Landschaft in unheimlich gelbe
Färbung einhüllend. Temperamentvoll ist Oeller's
in seinen sonnigen Landschaften, temperamentvoll
ist Müller-Werlau, vor allem in seinem »Oktober«.
Ueberzeugend hat er die Stimmung fest zu halten
gewußt, wie der Sturmwind die Baumwipfel beugt,
das Unterste der Blätter nach oben kehrend.
Zu den besten Werken der Ausstellung gehören
die Arbeiten von Lins und die von Wille's. Von
köstlicher Beobachtung sind die »Hühner an der
Hecke« des Erstgenannten. Zwischen den, den Hintergrund
bildenden Häusern und der Hecke sitzt als
Hauptfleck ein grell beleuchteter grüner Rasen.
Unter den Schutz der Hecke haben sich die Hühner
begeben, die Träger starkfarbigen Gefieders. Behaglich
breit haben sie sich auf dem Boden gelagert
und in drolliger Komik wenden fast alle ihre Köpfe
nach derselben Richtung. Noch feiner und poetischer
(wenn man bei Enten von Poesie reden darf) sind
Lins' »Enten im Weiher«, ein Bild, das das Ergebnis
sehr wahren, starken Naturstudiums ist. Ungemein
fein ist darin der warme Sommerdunst, der aus
dem Wässerchen aufsteigt, beobachtet, auch entzückt
die mit viel Liebe und doch nicht kleinlich
behandelte, vielgestaltige üppige Ufer-Vegetation.
Ein behaglicher Sommertag — Friede lagert über
dem Ganzen! —
Kein kleines Häuschen, keinen Heuschober, keine
Misttonne oder ähnliches, kein kleines Episödchen
gibt uns von Wille, sondern die Natur in ihrer Großzügigkeit
! Ihr weiß er zu folgen, in koloristischstimmungsvoller
wie in formaler Hinsicht; er weiß
die so flüchtigen, wechselvollen, momentanen Stimmungen
fest zu halten. In seinen Bildern »Der
sterbende Wald«, »Morgenstille«, »Ein Bergnest« —
überall dasselbe starke Gefühl für die Naturgröße,
für Silhouette (sei es in weichen, sei es in reichbewegten
Linien), für Terrainverschiebungen. Und
über dem Ganzen stets ein leuchtender, mit Verve
empfundener, kräftig modellierter Himmel, wie der
der »Ziehenden Wolken«. So gesund gesehen wie
seine farbigen Spätherbstlandschaften, so trefflich
beobachtet ist die eisige Eifelkälte, die das »Einsame
Haus« umgibt.
Die drei Bildhauer, welche ausstellen, haben
nur kleinere Werke gesandt: v. Bochmann jun.
malerisch behandelte Gruppen »Im Wind« und
»Junge singende Volendamer Mädchen«, desgleichen
Intze ein »Kinderstück« und einen »Fischer«.
Kaesbach bringt neben zwei kleineren Sachen eine
»Beleuchtungsfigur«, bei der man das Gefühl nicht
unterdrücken kann, daß das Studium der modernen
Errungenschaften in Bezug auf dekorative Wirkung
nicht ohne nachteilige Folgen unterlassen wird.
W. Vogel
GEDANKEN
Obgleich er mit der Hand arbeitet, ist der Maler
doch kein Feldscher; nicht in seiner Geschicklichkeit
sitzt sein Verdienst. Eugene Delacroix
335
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_07_1903/0373