Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 8. Band.1903
Seite: 66
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-sMsö> DIE BEWEGUNG ZUR BILDUNG

PAUL SCHULTZE-NAUMBURG « ABENDKLEID

wie es beim Empiregewand der Fall ist. Es
kann des weiteren der Gürtel um die Hüften
gelegt werden, eine Handbreit tiefer als unsere
bisherige Taille, wie wir es von mittelalterlichen
Kleidern her kennen.

Das enganliegende Stoffkleid dagegen, der
männlichen Kleidung ähnlich, ist seinem Wesen
nach zweiteilig, weil es so bequemer anzuziehen
ist. Es entsteht von selbst, wenn
man sich über dem faltigen Gewand ein
glattes Mieder getragen denkt, das bis zu den
Hüften herab die Falten zusammenhält. Wir
finden diese Form des Kleides im Mittelalter
durchweg und bis weit hinein in die Zeiten
der Frührenaissance. Es liegt für uns, nachdem
wir das Korsett verbannt haben,
kein Grund vor, diese äußerst praktische
Einteilung nicht von neuem zu verwenden
. Leider ist dieser Typus von
Kleid auf der Ausstellung nur ganz
vereinzelt vertreten. Ich halte diese
Form für ganz besonders ausbaufähig,
besonders, da es sich leicht als Jacke
gestalten, als solche wechseln und mit
Taschen versehen läßt. Die am meisten
bevorzugte Form der Jacke ist die des
kurzen spanischen Jäckchens, auf das
bei den meisten Reformkleidern für die
Straße zurückgegriffen wird. Obgleich
sich gegen diese an sich sehr hübsche
Form gar nichts einwenden läßt, liegt
doch kein Grund vor, sie zur alleingültigen
zu erheben.

Eine dritte Lösung ist die Form des
Blusenkleides, das natürlich in der alten
Weise mit Gürtel und Rockbund auf
der Taille nicht übernommen werden
darf. Wie sich das Blusenkleid sehr
wohl mit unseren Forderungen vereinigen
läßt, zeigen einige Kleider der
Ausstellung.

Die genannten Typen bilden die
Grundformen, über deren Rahmen hinaus
schwer ein Weg führt, innerhalb deren
aber natürlich eine mannigfaltige Variation
oder Kombination möglich ist.
Diese sind so zahlreich, daß man sich
auf eine Beschreibung kaum einlassen
kann. Gerade diese Abwandlungen zu
beobachten, gestattet unsere Ausstellung
in ihrer Anordnung sehr gut.

Um einem Mißverständnis vorzubeugen
, wiederhole ich, daß es sich
hierbei nur um die konstruktiven Möglichkeiten
handelte, und daß das Feld
ihres ästhetischen Ausbaues selbstverständlich
ein unbegrenztes ist. Wer sich
mit der Aufgabe, ein Reformkleid zu
bauen, jemals praktisch beschäftigt hat, wird
wissen, daß die konstruktive Lösung das
eigentlich Neue daran ist. Zur schmückenden
Ausgestaltung läßt sich alles verwenden, was
die alte Mode je an Gutem gefunden hat.
Wenn trotzdem die neue Tracht im ganzen
doch ein anderes Gesicht zeigt, auch in ihrem
ästhetischen Wesen, so liegt das daran, daß
sie einem neuen Geiste entspricht. Dem
Publikum geht oft der Begriff Reformkleidung,
„Jugendstil" und „Sezessionstil" und wie man
die schönen allerneuesten Moden all getauft
hat, durcheinander. Ich möchte betonen, daß
die Durchführung eines bestimmten modernen
Geschmackes uns nicht als das Erstrebenswerte

G6


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