Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 8. Band.1903
Seite: 67
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_08_1903/0079
EINER NEUEN FRAUENTRACHT

erscheint. Was den neuen Geist unserer
neuen Tracht ausmachen soll, das ist eine
edlere Auffassung vom Wesen der Frau, als
die bisherige Tracht sie gezeitigt hat. Es
mag vielen vielleicht noch ganz unverständlich
sein, was ich mit dieser edleren, reineren
Auffassung der Erscheinung der Frau überhaupt
meine. Es ist auch nicht gut möglich,
es mit ein paar Worten zu sagen, verstehen
aber wird es ein jeder, der in seinem eigenen
Lebenskreise an die neue Erscheinung gewöhnt
worden ist. Es ist nämlich notwendig,
sich auch an das Gute und Richtige erst zu
gewöhnen, wenn es etwas Neues ist.

Obwohl wir hoffen, daß unsere Auffassung
von der Erscheinung der Frau eine edlere
ist als die landläufige, so soll damit nicht

PAUL SCHULTZE-NAUMBURG « GESELLSCHAFTSKLEID

dem Gedanken Raum gegeben werden, als
sollte sie das Vorrecht weniger, etwa der
ästhetisch Gebildeten bleiben. Ich gebe mich
nicht der Illusion hin, als wäre die Masse
ohne weiteres zum eigentlichen Verständnis
des inneren Sinnes unserer Bestrebungen
zu bringen. Wir hoffen, daß die Menge zunächst
die neue Tracht annimmt, wie sie
jede neue Mode annimmt. Ein Verständnis
können wir erst erwarten, wenn ihre Augen
durch einen täglichen Anblick der Erscheinung
erzogen sind. Die Macht, die diese
täglich oft ganz unbewußt in uns aufgenommenen
Eindrücke auf das Gemüt ausüben
, kann gar nicht überschätzt werden.
Sie gehen auf wie eine frische Saat. Es
kann Weizen, es kann auch Unkraut sein.

Seien wir bedacht, daß wir Weizen

säen.

Es kann uns heute niemand mehr
des urteilslosen Optimismus zeihen,
wenn wir auf eine ganz allgemeine
Teilnahme an unseren Bestrebungen
rechnen. Ich will als Beweis für
unsere Hoffnungen gar nicht davon
reden, daß die Erscheinung des „Reformkleides
", wie man es nicht gerade
sehr schön genannt hat, auf der Straße
und in der Gesellschaft täglich häufiger
wird. Solche Beobachtungen sind unkontrollierbar
und schlecht zum Beweis
geeignet. Ich kann Sie aber
versichern, daß wir, in deren Hand
jetzt so viele Fäden zusammenliefen,
selbst überrascht waren von dem Umschwung
, der in der Gesinnung der
Oeffentlichkeit im letzten Jahre eingetreten
ist. Langsam ist die Idee
gewachsen, überall an den entferntesten
Orten sind Anhänger aufgetreten
, die unter sich nicht die geringste
Verbindung hatten, und haben
mit kühler Entschlossenheit zunächst
für ihre eigene Person das Recht
durchgesetzt, sich so zu kleiden, wie
es ihnen vernünftige Ueberlegung
und sittliche Empfindung wies.

Auch wenn man glauben wollte,
daß sich die Bewegung auf Künstlerkreise
beschränkte, wäre man im Irrtum
. Die Stimmen, die zu uns dringen,
kommen aus den verschiedensten
Kreisen, ohne daß irgend einer ausgeschlossen
wäre.

Auch die Behauptung, daß die
ganze Bewegung immer noch an
jenem Dilettantismus kranke, der
immer vorhanden ist, wenn Laien

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