Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 9. Band.1904
Seite: 70
(PDF, 173 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_09_1904/0096
-B=Ssd> AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS <^v-

falls machten die Arbeiten aus dem Nachlasse
Ernst Zimmermann^, deren stärkste Seite nicht
gerade die Originalität ist, in dieser Nachbarschaft
eine überraschend gute Figur. Darauf folgte eine
Ausstellung von Werken der hervorragendsten Mitglieder
der Prager Künstlervereinigung »Meines«-.
Wer erwartet hatte, nationalböhmische Kunst zu
sehen, wurde stark enttäuscht. Die Leistungen von
Joza Uprka, Anton Hudecek, Anton Slavicek
und Jan Preisler erheben sich in nichts über das
bekannte Wiener Niveau. Moderne Malphrasen,
liebenswürdig aber unpersönlich vorgetragen. Von
ernsthafter Beobachtung der Natur keine Rede.
Max Svabinsky ist der einzige, der von diesem
allgemeinen Urteil auszunehmen wäre. Er ist ein
tüchtiger Porträtzeichner, der seine Federzeichnungen
koloriert, in dessen Technik aber — sie
erinnert mit den sorgsam schraffierten Schatten an
den langweiligen Kupferstich — leider bereits viel
Manier steckt. Mit einer großen Zahl von Werken
der französischen Landschafter Gaston de La-
tenay, Paul Madeline, Maurice Eliot, Henry
Lebasque wurde höchstens bewiesen, daß die impressionistische
Malerei auch in Paris unter den
jüngeren Künstlern viel Anhänger hat. Leider sind die
meisten dieser Nachfolger großer Künstler nicht weniger
oberflächlich als gewisse junge Berliner Maler.
Eine Ausnahme bildet vielleicht Rene Syessaud, der
in Anlehnung an van Gogh etwas harte, aber mit

ALFONSO CANCIANI BILDNISBÜSTE

eigenen Augen angeschaute Naturschilderungen aus
dem Gebiete der schweizerischen Alpen mit Gebirgen
, Feldern, Seen und Weinbergen in starken
Farben gibt. Die erfreulichste Bekanntschaft aber
in dieser Ausstellung machte man an dem Holländer
Ferdinand Hart-Nibbrig, der mit seinen schon
in der Frühjahrsausstellung der Münchner Sezession
vielbemerkten Schöpfungen erschienen war. Er
steht ein wenig auf der Seite der Neo-Impressionisten,
wenigstens operiert er in deren Art mit Farbentupfen
; aber er bekennt sich nicht zum Prinzip der
reinen Farben, sondern bedient sich der gemischten.
Indessen kommt er zu sehr beachtenswerten Resultaten
in der Darstellung von sonnenbeleuchteten
Flachlandschaften mit grünen Wiesen und blühenden
Aeckern, zwischen denen die roten Dächer kleiner
Dörfer aufleuchten und hinter denen man das Meer
ahnt. Besonders sind ihm von dieser Art die Bilder
»Frühling« und »Mittsommer« gelungen. Und obgleich
man von seinen Landschaften sagen möchte,
daß sie pedantisch gemacht seien, übertreffen sie
die der impressionistisch malenden Franzosen in
dieser Ausstellung vor allem auch an Frische, ganz
abgesehen von der feineren und tieferen Empfindung
, über die Hart-Nibbrig verfügt. Der in Paris
lebende Engländer Charles W. Bartlett zeigte
ein »Begräbnis in Holland«, ein Zug von Menschen
und Wagen, der sich langsam von einer verschneiten
Anhöhe her auf den Beschauer zubewegt. Die Darstellung
der in hohen Zylinderhüten und dunklen
Röcken daherschreitenden Männer, der schwarzgekleideten
, weiße Hauben tragenden Frauen in
den bunt gestrichenen Wagen wirkte ziemlich uninteressant
, vortrefflich aber war der Schnee gemalt und
malerisches Gefühl offenbarte sich ferner darin, wie
der fernste Teil des Zuges gegen die winterliche Landschaft
gesetzt war. Mehrere Bilder des verstorbenen
Frankfurters Otto Scholderer machten auf diesen
in Deutschland leider wenig zur Beachtung gelangten
Maler aufmerksam, der wirklich ein Maler war.
Obgleich er in seiner Jugend dem Kreise um Manet
angehörte, erinnert er mit seiner tonschönen, ruhig
gestimmten Palette doch eher an den Munkaczy
der ersten Zeit. Ein »Stilleben« mit einem toten
Hasen und Feldhühnern, ein »Wilderer«, ein >Selbst-
porträt« und die unvollendete Studie nach einem
Mädchen waren in der That der größten Bewunderung
wert. Die letzte Ausstellung des Schulteschen
Salons bringt als Hauptnummer eine Kollektion
von Bildern eines jungen Berliner Malers Rudolf
Kohtz. Das Vorhandensein von Talent läßt sich
nicht leugnen. Man erkennt eine gewisse Begabung
für Farbe und das Bestreben, damit kraftvolle
Wirkungen zu erzielen; aber sowohl die zeichnerischen
Fähigkeiten als auch der Geschmack des
Künstlers lassen viel zu wünschen übrig. Kohtz hat
ersichtlich in München gelernt, die Farbe voll und
stark mit einem flotten Pinselstrich hinzusetzen.
Man denkt vor seinen Mädchen und Kindern, die
unter Blütenbäumen sitzen oder stehen, an die
Schule Herterichs, erinnert sich vor einem großen
dekorativen Panneau »Des Drachen Tod und Heimkehr
dergefangenen Prinzessin« von Georg Schuster-
Woldan. Eigenartig ist nur die Keckheit, mit der
hier die Farben Blau, Orange und Weiß zusammengebracht
sind oder wie in einem dreimal wiederholten
und jedes Mal mißlungenen Damenporträt
ein braunes Seidenkleid mit Grün in den
Schatten gemalt ist. Soviel mit Talent allein zu
machen war, ist in diesen Bildern erreicht; aber
um als Künstler etwas zu bedeuten, wird Kohtz
sich in strengste Selbstsucht nehmen müssen.
Nichts erscheint bei ihm ordentlich studiert. Ein-

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