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-3-^> GRAF LEOPOLD VON KALCKREUTH <^=^
Dabei ist es merkwürdig, daß die besondere
Veranlagung Kalckreuths auf einem
Gebiete liegt, auf dem man mit Recht den
Deutschen nicht allzuviel zutraut. Wir gelten
allenfalls als gute Zeichner, meist nur als gute
Illustratoren etwelcher Geschichten oder tiefsinniger
Einfälle. Kalckreuth aber ist ein
Maler im eigentlichsten Sinne. Ja, er ist
sogar immer mehr Maler geworden, er ist
es jetzt in dem Maße, daß z. B. seine
Zeichnungen und graphischen Arbeiten wie
Gemälde wirken oder wie Vorarbeiten zu
Gemälden. Als ausdrucksvolle und pikante
Linienführung waren vielleicht einige frühe
Zeichnungen Kalckreuths seine besten. Dies
nebenbei. Für die vorbildliche Bedeutung,
die Kalckreuth in unserer Zeit hat, ist es
nicht das wesentlichste, in welcher Form
sich seine schöpferische Kraft am stärksten
äußere. Nicht die künstlerische Begabung
ist vorbildlich und lehrbar, sondern der Gebrauch
, der von ihr gemacht wird. Und dabei
kommt es ebensosehr darauf an, was
der Künstler ist, wie darauf, was er leistet.
Im künstlerischen Charakter Kalckreuths
scheint mir der hervorragendste Zug seine
Ehrlichkeit zu sein. Bei einem Künstler bedeutet
diese Tugend darum doppelt viel, weil
er feineren und mannigfaltigeren Versuchungen
zur Unehrlichkeit ausgesetzt ist als irgend
ein anderer Sterblicher. Die Rücksichten auf
das Publikum und hohe Protektion, das ehrgeizige
Verlangen unter den Genossen eine
Rolle zu spielen oder auf der Ausstellung
Sensation zu machen, nahen drohend oder
lockend wohl jedem Künstler und flüstern
ihm zu, anders zu arbeiten als wie Neigung
und Gewissen es ihm vorschreiben. Wie
mancher arme Teufel ist da unterlegen —
mußte unterliegen, wenn er leben wollte. Die
einen leiden schwer daran, die andern, denen
das Glück hold war, wissen gar nicht einmal
mehr, wie verlogen sie sind. Und diese
können gefährlich werden. Sie müssen einen
Mann wie Kalckreuth hassen, denn er verkörpert
ihr verleugnetes besseres Gewissen.
Dabei muß man nur nicht glauben, daß die
Gunst der äußeren Umstände es Kalckreuth
immer leicht gemacht habe, auf wohlhabende
Mäcene zu verzichten. Wie sehr dabei auch
wohlgesinnte Kollegen den Künstler verkennen
, dafür nur ein Beispiel! Ich hörte einmal
einen namhaften Maler Kalckreuth tadeln,
weil er so manches Bild nicht genügend durcharbeite
und vollende. Er erblickte darin eine
sträfliche Nonchalance. Aber für wen schafft
denn ein Maler, wenn nicht in erster Linie
für sich selbst, zu seiner eigenen Befriedigung
? - Und ist es nicht wieder ein Zeichen
jener Ehrlichkeit Kalckreuths, wenn er den
Pinsel aus der Hand legt, nachdem er das
ausgedrückt hat, worauf es ihm ankam?
Fertigmachen? Schön für sich selbst,
aber nicht fürs Publikum!
Die Ehrlichkeit vereinigt sich bei Kalckreuth
mit Schlichtheit und jener angeborenen
Vornehmheit der Gesinnung, die das
Kleinliche übersieht, weil sie es nicht kennt.
Rechnen wir dazu die gute Gabe des Humors,
so begreift es sich, wenn die Jugend, die in
seine Kreise tritt, ihn liebt und verehrt. Er
ist ihr ein Vorbild und Erwecker ihrer besten
Kräfte, selbst wenn er sie nicht unmittelbar
unterweist, durch das Beispiel seines ganzen
Wesens. Gustav Pauli
GEDANKEN ÜBER KUNST
Man schätzt nur das, was auf gleicher Stufe
mit der eigenen Anschauungsweise steht und man
eben einsehen kann. Für das, was darüber hinausgeht
, fehlt einem jeder Maßstab. Arnold Böcklin
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Echte Kunst kann sich nur auf dem Boden des
Handwerksmäßigen aufbauen. Wilhelm Leibi
««graf leopold »johannes«, ein sohn
von kalckreuth des künstlers (1898)«
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