Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 9. Band.1904
Seite: 178
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-^5> MORITZ VON SCHWIND -r^^

und Schönen nachzustreben, sondern wir
wissen, daß auch die Häßlichkeit, die Leidenschaft
, ja daß sogar das Verbrechen, da sie
nun einmal vorhanden sind, auch mit in den
Kreis künstlerischer Darstellung einbezogen
werden müssen. Wir sind aus schwärmenden
Jünglingen zu ganzen Männern geworden.
Aber über dem reichen Können und der erweiterten
Erkenntnis ist der Blütenstaub der
Phantasie von uns abgefallen. Unsere Künstler
ringen und sehnen sich nach Poesie, Kindlichkeit
, Naivität und Märchenstimmung. Aber
diese Holden wollen nicht zu ihnen kommen.
Und wenn sie sich wirklich einmal am Zipfel
ihres Zaubermantels packen lassen, flugs ent-

M. VON SCHWIND EINSIEDLER

wischen sie ihren Freiern wieder und lassen
ihnen zu ihrer Betrübnis nur ein armselig
Stücklein Tuch in der Hand. Ohne Bilder gesprochen
, einzelne glückliche Ansätze sind
vorhanden, aber die wahre, echte, goldene
Märchenstimmung, die über den Werken von
Schwind und Richter lagert, hat sich bis
auf den heutigen Tag noch nicht wieder eingestellt
.

Moritz von Schwind wurde am 21. Januar
1804 zu Wien geboren, ein echtes Kind des
phantasiekräftigen bayerisch - österreichischen
Volksstammes, ein getreuer Sohn der lebenslustigen
singenden und klingenden Kaiserstadt
an der blauen Donau. Seit seinen späteren
Jünglingsjahren ist er von dort ins Reich
verschlagen worden, aber er hat nie aufgehört
, sich als Wiener zu fühlen und sich nach
Wien zu sehnen. Wenigstens seine Kindheit
und seine erste Jugend durfte er in der geliebten
Heimatstadt zubringen, die sich gerade
damals eines regen geistigen Lebens erfreute.
Teils Zufall, teils Absicht führte den Sohn
der vornehmen, adeligen Beamtenfamilie, dem
von vornherein alle Kreise der Gesellschaft
offen standen, mit den besten Köpfen, aber
auch mit den besten Herzen der damaligen
Wiener Gesellschaft, mit Bauernfeld, Grill-
parzer, Anastasius Grün (Graf Auersperg),
Lenau (Frhr. Niembsch von Strehlenau), dem
Maler Kupelwieser, dem Bildhauer Schaller,
dem Komponisten Franz Lachner u. a. zusammen
. Ganz besonders verband ihn die
innigste Herzensfreundschaft mit dem einzigen
Franz Schubert, dessen liederreicher Mund
nur zu bald verstummen sollte. Es ist schwer
zu ermessen, wie viel der eine dem anderen
gegeben haben und gewesen sein mag. Schubert
hat in Schwinds Kunst gleichsam hineingesungen
und den musikalischen Zug, der von
Hause aus in ihr lag, sicherlich verstärkt,
wie auch Schwind mit seinem frischen Wesen,
seinem sprudelnden Witz, seinem goldenen
Humor, seinen reizenden Zeichnungen Franz
Schubert über manche Not und Trübsal in
dessen kurzem schmerzenreichen Erdenwallen
hinweggeholfen haben dürfte. — Schwind hat
bereits in Wien während dieses durch Freundschaft
und Musik verklärten, glückseligen
Jugendlebens seine großen zukünftigen Hauptwerke
alle im Geiste konzipiert, wenn es ihm
auch noch an Muße, sowie an Kraft und Reife
gebrach, sie vollkommen abgeklärt aus sich
heraus zu stellen. Wir müssen uns Schwind
als einen Künstler vorstellen, der von Anfang
an auf ein zuerst dunkel empfundenes
und dann immer klarer und deutlicher ge-
schautes und erkanntes Ziel losarbeitet. End-

178


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