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JOSEF HOFFMANN
E. KLEINHEMPEL
Er ist ein Kind seiner Zeit, im vollsten, kräftigsten Sinne
des Wortes. Er sucht ihr zu dienen mit all seinen Impulsen
, mit all seinem Können. Vorauseilend dem langsam
trägen Erkennen, welches die Majorität seiner Zeitgenossen
der Neuformung des Lebens-Stils entgegenbringt, erfüllt ihn
das Bewußtsein der inneren Würde, die rücksichtslose Eigenprägung
kultureller Bedürfnisse einer Epoche gibt, mit stolzer
Schaffensfreudigkeit.
Der springende Punkt, aus welchem sich in Oesterreich
die Architektur und die Heimkunst entwickelt, — in der Gruppe,
welche aus der Schule Otto Wagner's und aus dem System
der Kunstgewerbeschule sich herausbildet — ist die strengste
Wahrung, ist das unentwegte Festhalten an künstlerischer
Ehre und Ehrlichkeit. Dieser neuen Schule Halt und Inhalt
ist die starke Betonung der inneren Notwendigkeit, ist die
Charakterstärke, welche jede Umschreibung, jede Umgehung
des Zweckes zurückweist.
Das unbeugsame Gewissen, welches unsere werdende
Ethik charakterisiert, es lebt in den ewigen Worten, die
einer der größten Pioniere unserer Zeitkultur in die Menge
schleuderte: „Die Wahrheit ist auf dem Wege — und nichts
wird sie aufhalten." — Dieser entscheidende, einschneidende,
dieser triumphale Gedanke, der stolz und erhaben aus dem
verlogenen, versteckten Wust einer erstarrten Gesellschafts-
Ordnung sich emporringt, er wird zum Leitmotiv der Glied
an Glied sich reihenden Kulturzeichen.
Auch die Kunst der Jetztzeit ist Suche nach Wahrheit,
ist Bekennen von Wahrheit, und in Josef Hoffmann sehen
wir einen der ergebensten Priester dieser Erkenntnis. Bei
ihm ist Schaffen und Persönlichkeit eins. Aus seinen ethischen
und sozialen Anschauungen erwächst sein Künstlertum. Wir
könnten deshalb sein Wollen und Wirken durch nichts deutlicher
klären, als durch die hier folgende Wiedergabe einiger
Aussprüche, welche der junge Künstler seinerzeit publizierte,
und die sowohl durch die Strenge und Reinheit der Ideen, als
durch die Rücksichtslosigkeit der Ausdrucksweise, für die
Art seines Wesens sehr charakteristisch ist.
Er spricht:
„Ist unsere Kunst nicht wahr? Ist des Schlechten mehr
als des Guten?"
„Haben wir nicht Wort gehalten, als wir versprachen,
unserem modernen Fühlen und Denken passende Gestalt zu
geben?"
„Woher kommt es, daß Leute, die sich bemühen, nach
DRESDEN
Dekorative Kunst. VII. i. Oktober 1903
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