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haben, unbedingt ehrlich zu denken. Es
fehlt den meisten Entwurfskünstlern nicht
so sehr an Talent, als an Charakter und
an dem nötigen Halt. Ich verstehe darunter
die Nachgiebigkeit gegenüber seinen und
seines Bestellers Launen und falschen Empfindungen
, das Stimmungmachen in
Räumen des täglichen Lebens und das
falsche Pathos dort, wo wir nach Natürlichkeit
lechzen sollten."
„Ohne dem großen Genie, das einst wieder
alle unsere Erfahrungen umstoßen wird, vorzugreifen
, sollten wir in allem der Prunksucht
aus dem Wege gehen und immerzu
nach besserem Material und vollendeterer
Ausführung trachten, da ja auch unser Leben,
sofern es ernst zu nehmen ist, durch Einfachheit
, Ehrlichkeit und Gediegenheit
seine Würde erhält."
Man sieht, wie Hoffmann vor allem Kultur
fordert; Kultur, welche, in der Familie sorg-
JOSEF HOFFMANN
VILLA DR. V. SPITZER: GARTEN MIT WEINLAUBE
sam gepflegt und gehütet, hinabverpflanzt
wird auf die Straße dieses Museum der
Armen — um von da einzuströmen in die
Menge, in die Allgemeinheit.
Solche Forderungen zu stellen, vermag
wohl jeder kritisch erzogene und für das
Wesen seiner Zeit empfängliche Mensch.
Solche Forderungen zu gestalten — dies
ist nur demjenigen gegönnt, der die hohe
Gabe des Schöpferischen besitzt, der das
Glück hat, Gedanke und Wort in Form und
Linie umwandeln zu können.
Hoffmann vermag dies. Ueberraschend
schnell hat er die Bahn der Entwicklung
durchgelaufen, welche jedem Werden unerläßlich
ist. Unbeugsame Strenge und Selbstzucht
haben die Kristallisation eines Talentes
zur Persönlichkeit in verhältnismäßig kurzem
Zeiträume erzwungen.
Des jungen Künstlers Sturm- und Drangperiode
fiel in die bogenluftige, linienge-
schlängelte, wellige Stilzeit
des van der Velde. Bei
der Eröffnungs-Ausstellung
der Sezession in provisorisch
adaptierten Räumen
trat er eigentlich zum
ersten Male öffentlich hervor
. Da wies die Innen-
Ausschmückung noch ein
üppiges Ueberwuchern des
dekorativen Elementes auf.
Die zügellose Phantasie
Olbrich's, seine kühnen
Linien und Farben-Akkorde
beherrschten den Beginn
der Wiener Moderne. Noch
glaubten die jungen Künstler
einen neuen Stil rein
aus sich heraus selbstherrlich
gestalten zu können.
Der Haß gegen den Konventionalismus
, gegen die
Kopiermanier, der Abscheu
vor dem starren Akademismus
machte sich in dekorativen
Milieu-Stimmungen,
in einem die Grundlage der
Architektonik verachtenden
Jugendstil Luft. Späterdann,
als Olbrich Wien bereits
verlassen hatte und Hoffmann
im Jahre 1900 die
Kunstschul-Ausstellung für
Paris ausgestaltete, da
konnte man schon das
Streben nach Vereinfachung
merken. Den dekorativen
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