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DIE PORZELLANFABRIK BING & GRONDAHL, KOPENHAGEN
1853—1903
Wer die letzte Pariser Weltausstellung
besucht hat, erinnert sich der Gruppe
„Dänemark" in der Abteilung für angewandte
Kunst am Invalidenplatz. Die dänischen Arbeiten
zeichneten sich durch ein hohes Maß
nationaler und künstlerischer Eigenart aus.
Den stärksten Eindruck persönlichen Schaffens
erhielt man von den Porzellanen der
Kopenhagener Fabrik Bing & Gröndahl.
Die ausgestellten Gefäße zeigten einfache,
schwere Formen; ein kaltes metallisches
Schwarz gab der Farbenskala der Unterglasurmalerei
einen ernsten Klang. Der Dekor
war streng stilisiert; seine Motive hatten
scharfe Umgrenzungen, die oft durch Relieferhebung
noch mehr betont waren. Hier und
da wurde man an koreanische oder altchinesische
Motive erinnert. An einigen Arbeiten,
namentlich an den großen Aschenurnen,
steigerte sich die Zeichnung zu melancholischer
Gefühlssymbolik. Man konnte sich
dem geheimnisvollen Zauber dieser Arbeiten
nicht entziehen, auch wenn ihre dekorative
Auffassung einem fremdartig blieb. Ihre
künstlerische Qualität war unbestreitbar, und
die erste Vorführung dieser neuartigen Erzeugnisse
war für die Fabrik ein bedeutender
Erfolg.
Die Porzellanfabrik Bing & Gröndahl
hat jetzt fünfzig Jahre bestanden, eine
kurze Zeit im Vergleich zur Lebensdauer der
meisten anderen europäischen Porzellanmanufakturen
. Aber sie hat diese trotz ihres Vorsprungs
erreicht und größtenteils überholt.
Sie war daher voll berechtigt, ihr fünfzigjähriges
Jubiläum festlich zu begehen, noch
dazu, da es wesentlich die Arbeit der Lebenden
gewesen ist, der sie Leistungskraft und
Ansehen verdankt. Anläßlich des Jubiläums
wurde im Dänischen Kunstindustriemuseum
in Kopenhagen eine retrospektive Ausstellung
der besten Erzeugnisse der Fabrik veranstaltet
.*) Es war lehrreich, in dieser Ausstellung
zu sehen, daß die künstlerischen
Tendenzen für die Produktion der neueren
Zeit ebenso charakteristisch sind, wie die
Lehnarbeit bezeichnend war für die Vergangenheit
. Und doch läßt sich nicht verkennen
, daß ein organischer Zusammenhang
besteht zwischen der jetzigen Blüte und der
mühsamen Pflanz- und Pfropf-Arbeit der
früheren Jahrzehnte.
Die Geschichte der Fabrik von ihren bescheidenen
Anfängen bis zu ihrer jetzigen
Höhe bildet den Inhalt einer Festschrift,
welche der oberste Leiter der Fabrik Harald
Bing für den engeren Kreis seiner Freunde
und Mitarbeiter verfaßt hat.**) Da die Traditionen
der Fabrik aufs engste mit denen der
Familie Bing verknüpft sind, so hat die Schrift
zum Teil den Charakter eines Familienbuches;
sie ist aber zugleich ein mit vollster Sachkenntnis
geschriebener, wichtiger Beitrag zur
allgemeinen Geschichte der modernen Keramik
und wird insofern auch in weiteren
Kreisen auf Beachtung und Interesse rechnen
dürfen. Einen sehr begreiflichen
*) Die Ausstellung wird im Laufe des Sommers
auch in Deutschland in den Museen zu Frankfurt,
Köln, Düsseldorf und Krefeld gezeigt.
**) Porcellänsfabriken Bing & Gröndahl 1853
— 1903 Kjöbenhavn, April 1903.
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