Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 10. Band.1904
Seite: 57
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-s5-^> ZUERST DER HOF UND DANN DAS HAUS

Wohnhauses mit ihrem vorragenden, meist
fensterlosen Obergeschoß ließen nicht ahnen,
welch' höchste Kultur der reich gegliederte
Innenbau barg. Hier im Atrium, den Penaten
und dem Familienherd mit dem heiligen Feuer
geweiht, und im Peristil, einzig nur der Familie
zugänglich, entfaltete sich jene auserlesene,
unerreichbar herrliche Kunst, die, durch die
Grausamkeit der Zeiten verstümmelt, selbst
als Torso Jahrtausende in Erstaunen setzte,
in ein nachahmend unstillbares Sehnen bannte,
ja selbst ernüchtert als Klassizismus noch
heute unsere national modernen Empfindungen
zu verdrängen droht. Der Grieche und Römer
sowie der Orientale verachtete jede Berührung
mit der Gasse; er duldete keinen Einblick
in sein Familienleben.

Der Palast des Cinquecento hatte seine
Küchen, Wirtschaftsräume und vereinzelte
Empfangssäle der schmalen Gasse zugewendet,
die Prunkgemächer und Schlafzimmer schauten
nach Hof und Garten. War die Fassade
schon wohlgebildet, bei Hof und Treppe erst
entfaltete sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt
immer gewaltiger die schöpferische Kraft des
Meisters.

Das Nürnberger Wohnhaus, das Kaufhaus
der Hansa öffnete die Läden des Geschäftes

WILHELM KREIS « VERSILBERTES GITTER DES
HEIZKÖRPERS AUS DEM FESTSAAL LINGNER «
AUSGEFÜHRT VON K. A. SEIFERT, MÜGELN « •

WAND LEUCHTER AUS VERSILBERTER BRONZE
NACH DER ZEICHNUNG VON WILHELM KREIS
MODELLIERT VON KARL GROSS «««««««

und den Speicher nach dem Marktplatz hinaus,
das trauliche Leben und Weben spielte sich
im Hof und Garten ab.

Welcher Deutsche bewahrt nicht die Erinnerungen
seiner Mutter aus schöneren
Tagen, an jene reizvollen Hofbauten mit
breiten Fenstern im weiß und grün gestrichenen
Rahmenwerk und an das grüne Pfört-
chen mit mageren Lorbeerkränzen und anderem
zierlichen Messingbeschlag, an den efeuum-
wucherten Brunnen unter dem breiten Schatten
der mächtigen Linde? Allzu natürlich verwies
das Sehnen nach Frieden und Ruhe,
Studierstube und Schlafkammer nach Hof und
Garten. Die biederen Menschen scheuten
den widrigen Lärm der Straße, entzogen ihr
Fühlen und Treiben den neugierigen Blicken
des Pöbels, dem Gleichgültigen, der kein
Empfinden für die Heiligkeit der Familie kennt.

Also taten alle Kulturvölker entschlafener
Jahrhunderte, nur heute erleben wir das
Gegenteil. Heute, wo sich der Verkehr so
rasend entwickelt hat, ist es um so gebotener,
allem Getöse und den Schäden der Straße
entrückt zu sein.

Die gegenwärtige Bauweise und Raumdisposition
macht es aber unmöglich, die

Dekorative Kunst. VII. 2. November 1903

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