http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_10_1904/0380
-s^s£> DIE KUNST-HOCHSCHULE <^W-
KOLOMAN MOSER « KÜCHE: WÄNDE MIT BLAUEN FLIESEN BEKLEIDET, DARÜBER BLAU
SCHABLONIERT. MÖBEL BLAU LACKIERT MIT BLAUEM DEKOR AUF WEISZEN FELDERN
darunter leidet nicht der Einzelne, vielmehr
drückt dies auf das Geistesniveau des Volkes
insgesamt. In diese Legionen das belebende
Element der Kunst hinein zu tragen, das sei
unsere Aufgabe!"
Diese erfüllt man aber nicht, indem man nur
Künstler (Zeichner) heranbildet, welche ihre
Künstlerschaft gar nichtodernurvergröbertzur
Anwendung bringen können, weil der Betriebschef
oft nichts damit anzufangen weiß, sondern
indem man den Chef selbst zum Künstler
macht oder den Künstler zum Chef; gerade
wie in den technischen Industrien der Chef
selbst wissenschaftlich gebildet sein muß.
Ehedem, in der „guten alten Zeit" handwerklicher
Produktion, fand die Uebertragung
künstlerischer Intentionen auf die Gebrauchsgegenstände
in sehr 'einfacher Weise statt
— eben handwerklich. Heute, in der bösen
neuen Zeit des Maschinenbetriebes, kann
solche Uebertragung nur dann erfolgen, wenn
der Träger der Form-Ideen zugleich den
überaus komplizierten Herstellungsprozeß
beherrscht. Der moderne Ingenieur muß
nicht nur mit Hacke und Spaten, sondern
mit den kolossalen Mitteln neuzeitlicher
Technik Bescheid wissen, wenn er seine
Kulturabsichten in Taten umsetzen will. So
auch der Künstler. Und wie der Ingenieur,
wenn er nur im Handwerklichen Bescheid
weiß, vielleicht einen Graben, niemals aber
einen Panama-Kanal zustande bringen wird,
so muß auch der Künstler darauf verzichten,
ein das Gesamtniveau der Feinbedarfsproduktion
bestimmender Kulturfaktor zu werden
, wenn er nicht zugleich Herr über die
modernen, komplizierten Produktionsmittel
dieses Gebietes wird. Wird er das nicht,
so bleibt es bei dem gegenwärtigen Zustande:
nur gelegentlich, unter besonders günstigen
Umständen wird die Kunst bei der Bedarfsproduktion
zu Worte kommen, indessen die
marktbildende, das Kulturniveau entscheidende
Massenproduktion ihre eigenen Wege
geht, — wohin sie dabei kommt, das sieht
man jeden Tag nur allzu deutlich.
352
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_10_1904/0380