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hans pillig (schüler der bildhauerklasse)
entwurf für einen fries
DIE KUNSTGEWERBESCHULE ZU DÜSSELDORF
Von Dr. H. Board
In unseren Tagen, wo das Kunstgewerbe
mehr denn je dazu berufen scheint, auf
die Entwicklung des Geschmacks in den breiteren
Schichten einzuwirken, ist die Erziehung
des jungen Kunstgewerblers zu einer der
wichtigsten kunstpädagogischen Fragen geworden
. Fällt es doch heute, nachdem alle
Stilarten, mehr oder weniger rein oder in
mehr oder weniger geschickter Kombination
bis zum Ueberdruß durchgeackert worden
sind, keinem Menschen mehr ein, das Bedürfnis
nach individueller Gestaltung unserer
Umgebung abzuleugnen. Es ist längst erkannt
, wo die Hebel anzusetzen sind, um
das Kunstgewerbe aus dem Wust des historischen
Beiwerks und aus der Versandung
verflachter Tradition herauszuheben. Die rege
Nachfrage der Fabrikanten nach guten Vorbildern
und Modellen und die bedeutenden
Opfer, die sie aufwenden, um Gutes und
Neues auf den Markt zu bringen, bestätigen
es aufs deutlichste, daß die Bahn für das
moderne Kunstgewerbe frei ist. Ueberall,
selbst in den kleinsten Verhältnissen, macht
sich erfreulicherweise das Bestreben geltend,
aus dem Bedürfnisse heraus neue künstlerische
Werte zu schaffen und Form und Gestaltung
der Objekte dem gegebenen Zwecke
anzupassen. Es sei hier nur an die Bestrebungen
der Arbeiterwohlfahrtsvereine erinnert
und als Beispiel die sinngemäße Einrichtung
eines Arbeiterhauses angeführt, welche
die Firma Fried. Krupp in Essen auf der
Industrie- und Gewerbe-Ausstellung des Jahres
1902 in Düsseldorf ausgestellt hatte. Aber
bis zur gänzlichen Durchdringung der bürgerlichen
Kreise mit den Absichten der modernen
kunstgewerblichen Bestrebungen ist noch ein
weiter Schritt. Eine gute, zweckentsprechende,
künstlerisch befriedigende Einrichtung aus
einem Guß ist vorläufig noch das Vorrecht
weniger Bevorzugter, und in den meisten
Haushaltungen repräsentiert ein einziges „mitgebrachtes
" Stück die moderne Kunst unter
dem Rokoko- und Empire-Gerät. Unser ganzes
Leben soll sich jedoch - - dahin drängt unsere
Zeit — von innen heraus dem durch täglichen
Gebrauch und durch persönliche Neigung gegebenen
Bedürfnissen anpassen, wie ja auch
das moderne Leben nach vernünftigen, hygienischen
Gesetzen sozusagen neu aufgebaut ist.
Hier einzusetzen, agitatorisch zu wirken,
ist der Beruf der Schule, im besonderen
der Kunstgewerbeschule. Nicht der einzelne
Künstler kann, wenn sein Talent auch noch
so stark ist, einen „Stil" schaffen, er kann
nur die Wege weisen, auf denen eine Umwertung
des Gebräuchlichen anzustreben ist.
Zu einem Stil, d. h. zum Niederschlag der
künstlerischen Bedürfnisse und Anschauungen
einer ganzen Welt, gehört die Arbeit von
Generationen, und auch diese kann nur dann
fruchtbar sein, wenn sie aus unabweisbarem
inneren Drange heraus wirksam ist. Im allgemeinen
kann es uns ja gleichgültig sein,
ob wir einen Stil haben oder nicht, wenn
uns dabei die Möglichkeit offen gelassen ist,
unser Leben so zu leben, wie es uns gefällt,
unsere Umgebung so zu gestalten, wie wir
es für zweckmäßig und vernünftig halten.
Damit ist nun allerdings der großen Masse
nicht gedient, die es von jeher gewohnt war,
sich leiten zu lassen, und im Durchschnitt auf
die Berufenen angewiesen ist, die ihr mit
Rat und Tat zur Hand gehen sollen. Den
Großstädtern ist dabei wohl am leichtesten
Dekorative Kunst. VII. n. August 1904.
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