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-*=4sö> DAS KAISER FRIEDRICH-MUSEUM IN BERLIN
pichen und kunstgewerblichen Stücken ausstatten
müsse, in denen die Bilder und Reliefs ein vornehmes
Heim finden könnten. An diesem Gedanken
, der alt sein mag, der aber erst von Wilhelm
Bode energisch aufgegriffen wurde, ist nun zwanzig
Jahre lang emsig gearbeitet worden. Mannigfache
Versuche und Vorstöße, auch nach der Seite hin,
wie man es nicht machen dürfe, sind gewagt worden
. Das Kaiser Friedrich - Museum, das über die
größten Bestände und über die reichsten Mittel
(sechs Millionen) verfügte, bietet nun einen Abschluß
dieser Bemühungen, das heißt eine Verwirklichung
der kronprinzlichen Wünsche im großen Stil.
Der Plan, Bilder und Plastiken durchgängig zu
mischen, Bronzen und Majoliken dazwischen aufzustellen
und durch alte Möbel die Räume zu beleben
, war in manchen Berliner retrospektiven Ausstellungen
probeweise durchgeführt worden. Namentlich
die Renaissance-Ausstellung von 1893 war trefflich
gelungen. Aber was bei einer kurzen provisorischen
Ausstellung erlaubt und geboten ist, eignet
sich noch nicht für die monumentalen Säle einer
festen Galerie. Hier ist vor allem Würde, Ruhe
und Größe des Raumes zu wahren. Jeder Anklang
an den Bazar ist zu vermeiden. Auch ergab sich,
daß man bei der Mischung der einzelnen Materiale
große Vorsicht zu üben habe, wollte man in der
Konkurrenz das Einzelne nicht schädigen.
Eine prinzipielle Mischung der Bilder und Plastiken
ist nur in der mittelalterlichen deutschen
Kunst durchgeführt worden. Viel zurückhaltender
ist man mit dem Austauschen bei den Werken der
italienischen Renaissance verfahren. Im großen und
ganzen sind die Bilder in Bildersälen und Bilderkabinetten
aufgehängt worden. Die Plastik beherrscht
das Erdgeschoß, die Gemälde hängen im Oberstock.
Das vordere große ovale Treppenhaus, in dessen
Mitte eine doch wohl deplazierte Nachbildung des
Schlüterdenkmals des Großen Kurfürsten steht, führt
durch einen breiten Gang zu der durch beide Stock-
KAISER FRIEDRICH-MUSEUM IN BERLIN
werke durchgeführten Basilika, einen einschiffigen
Kirchenbau, der in seinen Frührenaissanceformen
an Simone Cronacas Kirche San Francesco al monte,
unterhalb S. Miniato bei Florenz, erinnert. In die
Seitenwände der apsisförmig abschließenden Halle
sind kleine Kapellen eingebaut; darin stehen Altäre
mit großen Bildern und bunten Plastiken des Quattrocento
und Cinquecento. Zwei hohe Säulen in der
Mitte der Halle tragen einen Florentiner Marzocco
und eine Sieneser Lupa. Prächtig wirkt das innere
Portal der Schlußwand, die reich mit Lavabös, Statuen
, Büsten und Wappenhaltern belebt ist. Die
Basilika macht zunächst noch einen etwas kahlen
Eindruck; es fehlen noch die Fahnen, die Teppiche,
das Chorgestühl, das große Leggio und anderes
monumentale Inventar, das diesen Raum farbig
sättigen wird. Durch ihn gelangt man in das zweite,
hintere kreisrunde Treppenhaus, das unten mit farbigem
Marmor belegt, oben im hellsten Weiß gehalten
ist. Dieser Raum wirkt viel glücklicher als
das Oval des vorderen Treppenhauses. Hier stehen
am Ansätze der Treppen zwei Statuen (Mars und
Venus) von Pigalle, die der Kaiser aus Sanssouci
geschenkt hat; oben in den Wandnischen die Originalmarmore
des Feldherrn Friedrich des Großen
vom Wilhelmsplatz, die hier längst durch Bronzekopien
ersetzt sind. Sie sind aus Lichterfelde
herübergekommen. Ihre Sockel sind verunglückt.
Von der Basilika führen seitlich breite Räume
in die beiden Trakte der Außensäle am Kupfergraben
und an der Spreeseite. Der eine Zug beherbergt
die deutsche Plastik und Malerei der Frühzeit
und die farbige Plastik der italienischen Renaissance
(Holz-, Ton- und Stuckarbeiten). Der
andere hat die altchristliche, byzantinische, sassa-
nidische und islamitische Kunst, außerdem die Marmore
des italienischen Mittelalters aufgenommen.
Die erst während des Baues vom Sultan dem Kaiser
geschenkte Mschattafassade, die eine große, an der
Pilgerstraße Damaskus—Mekka liegende Karawanserei
schmückte, hat die
ursprünglich den italienischen
Gipsen reservierten
Säle besetzt. Das
große ravennatische Mosaik
, das vor 60 Jahren
König Friedrich Wilhelm
IV. erwarb und das
bisher magaziniert bleiben
mußte, konnte nun
am Ende des altchristlichen
Saales, leider zu
niedrig, aufgestellt werden
. Prachtvolle Durchblicke
fallen durch die
alten venezianischen
Türen auf das herrliche
Gold des Mosaiks und
auf die leuchtenden Farben
der alten kostbaren
Perser des XIV. und
XV. Jahrhunderts, die
Bode dem.Museum geschenkt
hat.
Inmitten der deutschen
Plastik haben die
primitiven deutschen
Bilder mitunter einen
schweren Stand. Aber
der Gesamtanblick dieser
drei bunten und lebhaften
Säle ist glänzend;
nur das Licht des einen,
RUBENS-SAAL
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