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DEREN VERHÄLTNIS ZU NATUR UND BILD <^=^
REMBRANDT SIMSONS HOCHZEIT
zelnen Gruppen zur Hauptfigur gerichtet.
Neigt sich eine aus drei Figuren bestehende
Gruppe auf der einen Seite zur einfach und
ruhig gehaltenen Mittelfigur hin, so ist die
korrespondierende Gruppe auf der anderen
Seite entgegengesetzt gestellt. Und im Reize
dieser Abwechslungen sehen wir an Rem-
brandts Handzeichnungen die Art der Umgestaltung
, welche seiner eigenen Phantasie
entspricht und diese anregt. Außer gewissen
Veränderungen, Zugeben und Wegnehmen
von Figuren, Aenderung ihrer Stellungen etc.
mit Beibehaltung des Hauptprinzipes, bemerken
wir vor allem bei der ersten Zeichnung
die fast senkrechte Stellung der Mittelfigur
, und daß die äußerste rechte seitliche
Gruppe besonders betont, der Kopf ihrer
wichtigsten Figur mit dunklem Haupt- und
Barthaar versehen ist. Es soll dies deshalb
hier eingehender erwähnt werden, weil wir
auf der gleichfalls beigegebenen „Hochzeit
Simsons" (s. Abb. oben) deutlich die vertikal
gestellte, unbewegte Mittelfigur in der Braut
und mit Simson selbst die erwähnte seitliche
Gruppe der Rembrandtschen ersten Zeichnung
des Abendmahls erkennen, wie wir im ganzen
Bilde das Hauptsächlichste des Lionardoschen
Gruppierungs-Prinzipes, ja fast eine gleiche
Figurenanzahl wiederfinden können. Allerdings
im Rembrandtschen Sinne phantastisch
ausgestaltet und bereichert; als echten Rem-
brandt. Auch Rembrandts Bild „Parabel von
den Arbeitern im Weinberge", das ein Jahr
vor Simsons Hochzeit vollendet ist, mag
seine Entstehung dem erwähnten linearen
Kontraste nach Lionardo verdanken. Die
Handzeichnungen gehören den 30 er Jahren
an, die zweite sichtbar datiert 1635. Die
Parabel von den Arbeitern im Weinberg 1637.
Simsons Hochzeit 1638.
Aus solchen Vergleichen können wir sehen,
daß es die berühmtesten Meister nicht verschmäht
haben, das Prinzipielle anderer gründlich
zu studieren und sich anzueignen, um
sich in jeder Beziehung im höchsten Maße
zu vervollkommnen. Es ist dies auch für
unsere Zeit darum wichtig, weil wir darauf
hingeführt werden, daß das Persönliche unter
einem auf das Wesentliche gerichteten Studium
anderer Meister nicht zu leiden braucht,
sondern durch ein reiches künstlerisches
Wissen und durch große praktische Erfahrung
geläutert und unterstützt wird.
Und so sehen wir auch bei einem so gewaltigen
Meister wie Rembrandt, wie bei so
vielen großen Künstlern, die sich und die Kunst
zu eigenartiger Höhe bringen, die höchste
künstlerische Persönlichkeit, im Vereine mit
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