http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_11_1905/0258
-sp4^> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN <^^-
Mann im Gehrock mit weißer Weste und grauen
Pantalons, den Zylinderhut in der Hand, eine brünette
junge Dame am Arm führen und ihr zärtliche
Worte ins Ohr flüstern. Die Dame trägt eine gelb
und zinnoberrot gestreifte Seidenrobe mit einer
weißen Mulltunika darüber. Ohne weiteres kann
man nörgelnden Gemütern zugeben, daß die Gartenlandschaft
süßlich ist und daß die beiden Personen
etwas kurz wirken. Aber welche heitere Natürlichkeit
, welche Schönheit, welche Reinheit atmen diese
Farben! Mit welcher Zärtlichkeit, Liebenswürdigkeit
und Unbefangenheit sind die beiden Menschen
geschildert! Es ist ein Genuß, dieses Bild zu sehen,
das eine Stimmung mit sich bringt wie ein leuchtender
Frühlingstag und das in jeder Beziehung
ein Kulturdokument ist. Mag auch das Kostüm des
zweiten Kaiserreichs dem heutigen Geschmack etwas
wunderlich erscheinen — ein großer Meister hat
dieses Bild gemalt, in dem alles vereinigt ist, was
die französische Malerei vor jeder anderen auszeichnet
.
In Ed. Schultes Salon gibt es eine große Kollektion
neuer Arbeiten von Gotthardt Kuehl. Wie so
viele Maler aus seiner Generation, bat auch der
Dresdener Akademiedirektor einiges von seinen einstigen
Vorzügen eingebüßt. Vielleicht empfindet das
nur der stark, der die Arbeiten des Künstlers aus
dessen Pariser Zeit kennt und schätzt. Gewiß:
Kuehls Bilder stehen nach der Geschmacksseite
immer noch turmhoch über den meisten, die heute
gemalt werden. Der Künstler weiß immer noch
die reizvollsten Motive zu finden und seinen Darstellungen
durch Pikanterie des Ausschnitts und
der Farbenzusammenstellung eine besondere Note
zu geben; aber er legt neuerdings auffallend
wenig Wert darauf, das Stoffliche der Dinge
fritz behn
grabmal
malerisch auseinanderzuhalten. Er operiert nur
noch mit Farben, nicht mit den Erscheinungswerten
der Sachlichkeiten. Eins seiner größeren
Bilder hier stellt Dresdener »Chaisenträger« dar,
die in ihrer Kantine, einem öden, graugestrichenen
Raum, plaudernd und rauchend um einen riesigen
Holztisch sitzen. Die Chaisenträger haben gelbe
Uniformröcke, im Zimmer steht ein großer gelber
Kachelofen und auf dem Tisch eine messingene
Teemaschine. Gelb und Grau sind zwei sehr
reizvolle Farbengegensätze. An nichts weiter hat
Kuehl gedacht. Es ist ihm nicht eingefallen, das
Gelb in den verschiedenen Materialen zu charakterisieren
, was doch immerhin auch eine malerische
Aufgabe wäre. Das Tuch der Röcke, die Emaillierung
der Kacheln, der Glanz des Messings wirkt in seinem
Bilde absolut identisch, nur gelb, und nicht einmal
durch die Nuance unterschieden. Dieses Außeracht-
lassen des eigentlich malerischen Vorwurfs tritt bei
diesem Werke vielleicht am auffälligsten hervor; ein
aufmerksamer Betrachter von Kuehls Bildern findet
es jedoch schließlich bei allen. Verhältnismäßig
am wenigsten macht sich die Gleichgültigkeit gegen
stoffliche Reize bei den Architekturbildern des Künstlers
bemerkbar, und da sich das Interesse der Besucher
besonders auf diese richtet, findet die Ausstellung
Kuehls fast ungeteilten Beifall beim Publikum
des Schulteschen Salons. Die Motive zu diesen
Architekturbildern stammen mit wenigen Ausnahmen
aus Dresden. Am meisten gelungen sind dem
Künstler von diesen Bildern: »Die Augustusbrücke
im Regen*, ein anderes Mal im Schnee und zwei
Ansichten von Dresden-Neustadt in der Sonne und
im Schnee. Eine neue Erscheinung für Berlin ist
der Münchner Hans Beatus Wieland. Er möchte
mit der Malerei Gefühle ausdrücken, die ihn bewegen
; da er aber über kein besonders ausdrucksfähiges
Können gebietet, kommt nur etwas sehr
Konventionelles im Münchener Illustrationsstil
heraus. Ungleich besser als seine Gemälde sind seine
vor der Natur entstandenen Aquarelle. Da ist Licht,
Farbe und Natürlichkeit, während er, sobald er sich
der Oelfarben bedient, alle Unbefangenheit verliert,
alles schwärzlich stimmt und mit seinen Figuren
ins Theatralische gerät. Er mag das als Stil erklären
; aber dieser Stil ist schlecht, weil er alles,
was ein Bild lebendig, reizvoll und wirksam macht,
ausschaltet. Seine »Heimat«, die schöne leuchtende
Schweiz, der er mit einem großen Bilde, auf
dem im Vordergrunde auf einer Halde hochaufgerichtet
ein Mann in Knechtskleidung steht und, die
Augen mit der einen Hand beschattend, auf die
im Hintergrund liegenden Schneeberge blickt, ein
Denkmal errichten möchte, sieht doch sehr viel
anders aus, als er sie malt, vor allem lichtvoller.
Wielands schneebedeckte Firnen, auf denen sogar
Sonne liegen soll, sind nicht weiß, sondern grau.
Wieviel mehr von der wahren Schönheit, seiner
Heimat steckt in seinen aquarellierten »Schneestudien
« und in den Wiedergaben des »Matterhorn
« und »Breithorn«. Das ist die Schweiz mit ihrem
strahlenden Licht, das andere ist ein Atelierland, das
niemand begeistern kann und das der sicherlich
begabte Künstler in seinem eigensten Interesse
schleunigst verlassen sollte. Eine sehr unpersönliche
Kunst treibt Paul W. Ehrhardt. Was seine
Bilder erträglich macht, ist lediglich die Münchener
Kultur. Es gibt sicherlich fünfzig Maler in München
, die ein ebenso lustig aussehendes »Puppenmütterchen
« in die Welt setzen könnten, wie Ehrhardt
. Neben Kuehl verdient in dieser Ausstellung
eigentlich nur der Frankfurter Jakob Nussbaum
stärkere Beachtung. Seine Zeichnung ist allerdings
212
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_11_1905/0258