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leopold bauer
projekt für ein schützenhaus in jägerndorf
LEOPOLD BAUER
SEINE ABSICHTEN UND SEINE WERKE
Es sind just sechs Jahre verflossen, seit
Leopold Bauer, der Architekt, von Wien
aus die Vorrede zu dem Werke datierte, mit
dem er, ein Unbekannter in der weiten Oeffent-
lichkeit des Kunstlebens, daran teilzunehmen
sich anschickte. Denn vorerst trat er nicht
mit einer der von ihm ersehnten dreidimensionalen
Schöpfungen hervor, sondern erhob
in einem Buch seine Stimme. Seinerzeit allzuwenig
bemerkt, verdient es noch heute
eine nähere Würdigung, obwohl die Tatsachen
über manches hinweggeschritten sind.
Bauers Ideale und zugleich sein Programm
enthält der Folioband, dessen Aufschrift „Verschiedene
Skizzen, Entwürfe und Studien"
zeichnerische Kundgebungen verheißt, während
der Untertitel „Ein Beitrag zum Verständnis
unserer modernen Bestrebungen in
der Baukunst" sich auf den erklärenden Text
bezieht.
Unter allen Schaffenden ist am meisten
der Architekt unumgänglichen Bedingungen
unterworfen, welche ihm das genaue Ausmaß,
die praktischen Bestimmungen, das Material
mit seinen beschränkenden Möglichkeiten auferlegen
. Einzig der Künstler erhebt aus
dieser ^Gebundenheit, erst das Individuelle
seines Geschmacks und seines Geistes verleiht
dem Werke jenen unwägbaren Wert, um
dessen willen wir geneigt sind, es als eine
Bereicherung des Lebens zu schätzen.
Vornehmlich das soeben gekennzeichnete
Merkmal baukünstlerischen Wirkens zeigen
die Entwürfe Bauers, welche die oben genannte
Veröffentlichung*) vorführt. In ihr
kündigt sich eine außerordentliche Vielseitigkeit
erst an. Mit geringen Ausnahmen handelt
es sich dem vom Leben noch unbelehrten
Draufgänger nicht um gewöhnliche Wohnstätten
; die Erfindungsgabe darf sich also in
einem Ueberschwang der Formen und Maße
genugtun, der vorerst die Wahrscheinlichkeit
der Ausführung außer acht läßt. Man wird
es der Jugend des damals kaum Vierund-
zwanzigjährigen zugute halten, wenn er mit
unbegrenzten Möglichkeiten zu rechnen sich
anschickte.
Vom ersten Blatte an ist es offenbar, was
ihm eine ausgedehnte Studienreise als wichtigste
Anregung geboten hat: die durch alle
Zeiten unverändert großen Elemente der römischen
Baukunst, von deren ursprünglichen
Denkmälern herauf über die Hochrenaissance
bis zu der von ihm in Verehrung
*) Im Verlag von Anton Schroll & Co., Wien.
Dekorative Kunst. VI II. 3 Dezember 1904.
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