Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 12. Band.1905
Seite: 129
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_12_1905/0141
Vor einigen "Wochen wurde mir ein Separatabzug dreier Artikel aus der Straßburger
Post zugeschickt, in denen ein Jurist, ein Architekt und ein Laie kräftig für die
Zerstörung der Ruine des Heidelberger Schlosses und einen an ihrer Stelle zu errichtenden
Neubau eintreten. Denn um nichts anderes handelt es sich bei der Heidelberger
Schloßbaufrage, da ja die sogenannte Restauration des Otto Heinrichs-Baues
nur darin bestehen könnte, daß die alten Bausteine und Skulpturen fast alle durch neue
ersetzt würden. Aus diesen Artikeln war mir besonders eine Stelle interessant,
wo der „Laie" die Bewegung für die Erhaltung der Ruine als die romantische,
ruinenschwärmerische Anwandlung einer „willensarmen greisenhaften Kultur", die
moderne Rekonstruktion des Friedrichsbaus dagegen als eine „wahrhaft schöpferische
Tat", als „das "Werk einer jugendstarken, tatenlustigen, vorwärtsdrängenden Generation"
bezeichnet. Ich griff mich verwundert an den Kopf und fragte mich, ob ich denn richtig
gelesen hätte. Die archäologische Rekonstruktion eines Renaissancepalastes, die doch
bestenfalls richtig und technisch einwandfrei sein kann, eine künstlerische Tat, das
Werk einer jugendstarken, tatenlustigen, vorwärtsdrängenden Generation? Das kann
doch unmöglich die Meinung des Verfassers sein! Oder sollte sich das allgemeine
Urteil unserer Gebildeten durch die jahrzehntelange Periode der archäologischen
Rekapitulation längst vergangener Stilarten so völlig verbildet haben, daß sie produktive
Schöpferkraft und unproduktives Wiederkäuen des von den Vorfahren Geschaffenen
geradezu verwechselten ? Fast könnte es so scheinen. Denn dieselben Leute, die
unsere mittelalterlichen Dome restaurieren, mit dem Aufwand von Millionen Türme
ausbauen, die jahrhundertelang unausgebaut das Stadtbild bestimmt haben, und für
deren Ausbau nicht der geringste praktische Grund vorliegt, dieselben Leute, die
unsere Münster durch „Freilegen" verschönern zu können glauben, die unsere alten
Stadtbrunnen vernichten und gegen moderne Kopien auswechseln, dieselben Leute
widersetzen sich mit der obstinaten Zähigkeit aller Rückschrittler der Entwicklung
einer neuen aus dem modernen Bedürfnis herausgewachsenen Architektur, einer neuen
den Geist der modernen Zeit wiederspiegelnden dekorativen Kunst.

Demgegenüber gibt es meines Erachtens nur eine berechtigte Stellungnahme : Das
Gefühl der Pietät. Pietät gegen das historisch Gewordene, das so lange wie irgend
möglich so erhalten werden soll, wie es geworden ist, aber auch der Pietät, gegen
die schöpferischen Kräfte der Nation, die über das Alte hinaus nach vorwärts
drängen. "Wenn man bedenkt, wieviele Millionen in den letzten Jahrzehnten bei

Dekorative Kunst. VIII. 4. Januar 1905.

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