http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_12_1905/0176
K. Lange, los, daß ein Maler, der technisch so in allen Gebieten erfahren ist wie Pankok, sich
Bernhard leicht soweit in die architektonische Konstruktionslehre und die praktische Bauvor-
Pankok, bereitung einarbeiten könnte, daß er mit Hilfe eines geschulten Werkmeisters auch
einen größeren Bau nach eigenem Entwurf auszuführen imstande wäre. Sind doch
auch bei meinem Hause die "Werkpläne nach seinen Skizzen von einem Architekten
(Biebericher) ausgearbeitet worden. Vielleicht wird man einmal einsehen, daß das
Heil unserer Baukunst in einer Verbindung wirklich schöpferischer Künstler mit
guten Technikern liegt, nicht in der Heranzüchtung unproduktiver Archäologen, die
schon deshalb keine Künstler sein können, weil sie gleichzeitig Verwaltungsbeamte,
Schreiber und Rechner sein müssen. Der Tiefstand unserer modernen offiziellen
Architektur ist nachgerade ein offenes Geheimnis. Wir werden aus dieser Misere
nicht herauskommen, solange die maßgebenden Kreise sich nicht entschließen können,
den wirklichen Künstlern denjenigen Anteil an öffentlichen Bauten zuzuweisen, der
ihnen in allen Fragen, wo es sich um Kunst handelt, ohne Zweifel gebührt. Und
selbst eine so konservative Kunst wie die Architektur kann sich, wie das Beispiel
von Wien und Darmstadt lehrt, auf die Dauer der modernen Richtung nicht verschließen
. Mit dem Lavieren und Vermitteln ist es nicht getan. Man kann einen
Pfannkuchen nicht backen, ohne die Eier zu zerschlagen, Das heißt, mit der freien
Anwendung der historischen Formen, und wenn sie noch so geschmackvoll und einfach
wäre, ist dem modernen Bedürfnis nicht Genüge geleistet. Wir brauchen neben dieser
vermittelnden Richtung, deren Bedeutung gerade im gegenwärtigen Augenblick wir
wohl zu würdigen wissen, auch auf diesem Gebiete eine Vertretung des wirklich
Neuen, und man sollte die Kräfte, die dazu imstande wären, benutzen, solange sie
da sind. Eine Blüte der Kunst dauert erfahrungsgemäß nur wenige Jahrzehnte. Es
könnte sich begeben, daß man zu spät zu der Einsicht käme, den richtigen Moment
verpaßt zu haben. Das mögen sich die Ewiggestrigen gesagt sein lassen.
Wir können unter den modernen Künstlern zweierlei Typen unterscheiden. Die
einen sind die Einseitigen, die sich ganz auf eine Kunst konzentrieren und in dieser
das Höchste zu leisten suchen, dazu gehörten z. B. Leibi, Lenbach und Böcklin. Die
anderen sind die Vielseitigen, Vielgeschäftigen, die rastlosen Experimentatoren, die
alles versuchen. Zu ihnen würde ich etwa Klinger, Pankok, Orlik usw. rechnen.
Wir brauchen keinen Rangunterschied zwischen beiden aufzustellen, sie sind uns beide
nötig, und wir sollen uns ihrer freuen. Die ersteren schaffen ja sicher die vollendeteren
Werke, abgeklärte, in sich vollkommene Schöpfungen, die die Jahrhunderte
überdauern werden, die letzteren aber finden dafür mehr neue Wege, regen mehr
an, streuen mehr Saat aus, wenn auch ihre Werke den höchsten Anforderungen nicht
immer genügen. Für einen jungen Künstler ist es gewiß keine Schande, wenn er
sich in allen Gebieten versucht, in allen Künsten das Höchste leisten möchte. Nur
muß er sich bewußt bleiben, daß eine gleiche Vollkommenheit in allen Gebieten bei
der Beschränkung der menschlichen Natur unmöglich ist. Das Leben bringt es ja
auch von selber mit sich, daß man im Alter seinen Stecken etwas zurücksteckt.
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