http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_12_1905/0410
-sx=4^> APHORISMEN ZUR BAUERNKUNST <^=^
bezeichnet für die Museen und den Geschmack
eine Krisis. Recht eigentlich von breiteren
Kreisen geschätzt wurde nur das Verlorene
— das sagt schon das Wort „Sammler" und
die Geschichte der Sammlungen. Die Geschichte
der Sammlungen fängt mit Raritäten
an und hört mit Trivialitäten auf.
Es ist kein Beispiel in der Kunstgeschichte,
daß die Nachahmung auch alleredelster Werke
je zu einem wirklich erfreulichen Neuwerk
geführt hätte.
Heißt es da nicht gar vom abgebauten Felde
Früchte erwarten, wenn man bäuerischen Hausrat
als Kunst zur Nachahmung anpreist?
Es ist bezeichnend für das Entwicklungslose
der „Bauernkunst", daß sie immer reich,
immer ornamental ist. Die Kunst aber fängt
immer primitiv, schmucklos an; junge Kunst
ist knapp im Ausdruck bei reichstem Gehalt
und immer Zeugnis starken Intellekts (Antike,
Frührenaissance). Primitiv ist Bauernkunst
nie, sondern derb oder roh. Sie ist der unfähige
, gemütliche Erbe einer reichen Generation
.
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Der Künstler steht immer auf den Höhen
der Menschheit, er ist Herzog, geht den
Scharen voran. „Bauernkunst" aber ist der
Nachtrapp. Der Bauer schließt sich erst
einem bestimmten künstlerischen Geschmack
an, wenn die Künstler schon längst in ganz
anderem Geiste schaffen. Rokoko herrschte
bis vor einigen Dezennien allein, „Empire"
herrscht noch in der „Bauernkunst". Die
„Bauernkunst" hat allerdings vor der plebejischen
Stadtkunst — der Fabrikware der
Bazare — einen Vorzug, der sie immer noch
als Erbe aristokratischer Anschauungen kennzeichnet
. Die Fabrikware der Stadt macht jede
Entwicklungsphase einer neuen Bewegung so
rasch als möglich nach, —die „Bauernkunst"
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