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TONI STADLER
Von Fritz v. Ostini
Die Art, wie heute ein Künstler zu seinem
Ruhme kommt, kann sehr verschieden
sein. Der eine fällt überhaupt schon mit
vollem Glänze vom Himmel, ist mit einundzwanzig
Jahren berühmt und mit dreiundzwanzig
vergessen. Ein Meteor, das aufglüht
und platzt! Ganz wenigen wird früher
Ruhm, der seine Helligkeit dauernd bewahrt,
weil er echt ist! Eine recht große Schar
ersitzt ihren Lorbeer so nach und nach, wie
ein pflichttreuer Beamter den roten Adlerorden
vierter — die goldene Mittelmäßigkeit,
dem Kunsthandel nicht unlieb! Eine kleine
Zahl kommt zu später Geltung in der Oeffent-
lichkeit und manche davon haben ihren Ruhm
überhaupt nie mit eigenen Augen gesehen,
weil sie die Gelegenheit inzwischen durchs
Begrabenwerden verpaßten. Unter jenen Spätangekommenen
sind viele unserer Besten und
eines ist ihnen fast allen gemein: daß man
sie nicht nur bewundern, sondern auch lieben
muß. Ganz leicht erklärlich das! Werte,
die so langsam verstanden werden, sind ja
fast immer Werte der Innerlichkeit, der Persönlichkeit
, und daß sich diese der Menge
erst nach und nach offenbaren, ist ohne weiteres
einzusehen! Und noch eins ist denen
fast immer gemeinsam, die spät zur Geltung
kommen im breiten Publikum: daß man sie
vorher im engeren Kreise um so besser verstanden
und um so inniger gewürdigt hat.
Auch Toni Stadler hatte sein halbes Sä-
kulum auf dem Rücken, ehe man in Deutschland
intensiver auf ihn hinzublicken begann.
Nicht verkannt war er, wie etwa die oben
Genannten, aber unbekannt. Seit ein paar
Jahren erst taucht sein Name in Kunstberichten
immer regelmäßiger auf, vordem hat
man an seiner, von jeder auffallenden Gebärde
freien Kunst fleißig vorbeigeschaut. Er wurde
in diesen Jahren fast ausnahmslos als der
Name eines reifen und feinen Malers genannt
. Aber er wurde recht oft falsch geschrieben
, was kennzeichnend genug ist. Bald
hieß er Nadler, dann wieder Toni Starler und
einigemal wurde aus dem Toni Stadler ein
Die Kunst für Alle XXI. 4. 15 November 1905.
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