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-^£> TONI STADLER <^=v=-
sinns, eine Kunst, die ihre Ehrfurcht vor dem
gewaltigen Vorbild Natur auch im Streben
nach formaler Vollendung bekundet, weil sie
sich scheut, dieser Göttin anders als im Sonn-
tagsgewande zu dienen. Einem Maler, der
so andächtig vor der Natur steht, wie Toni
Stadler, muß die Form der Landschaft auch
so bedeutungsvoll werden, wie sie ihm ist.
Denn sie, die Form, redet schließlich doch
allein die unverfälschte, unmittelbare Sprache
der Natur, alles andere, Farbe, Stimmung
wird durch das subjektive Empfinden des
Künstlers bestimmt und verändert. Nach jener
Richtung wies Toni Stadler nicht nur sein
angebornes Gefühl. Auch der Künstlerkreis,
von denen er durch direkten Verkehr die
lebhaftesten Anregungen erhielt, orientierte
ihn dahin, die Großen der alten Zeit bestätigten
ihm schlagend, was er selber sehen gelernt
hatte. Es wird gewiß keiner im Ernste von
Altmeisterei im Sinne von Nachahmung vor
den frischen, individuell gesehenen Landschaften
Stadlers reden wollen, aber man wird
auch die Linie nicht verkennen, die ohne
Zickzack von ihm zu den alten Holländern
zurückführt. Die klassischen Landschaftszeichnungen
Rembrandts, die Dünenbilder des
jüngeren Ruysdael, des Koningh und van der
Meer von Haarlem haben auf Stadler mehr als
nebensächlichen Einfluß ausgeübt. Auch die
Meister von Barbizon gehören zu Stadlers
künstlerischen Erziehern, doppelt sogar, wenn
man will; sie haben erstens durch ihre Bilder
unmittelbar auf ihn gewirkt und hatten anderseits
auch jene beiden Künstler wieder beeinflußt
, die durch lebendigen Verkehr in Stadlers
künstlerischer Entwicklung die größte Rolle
spielten: die beiden Schweizer Adolf Stäbli
und Otto Frölicher. Die beiden, von denen
der erstere nicht nur ein großer Maler von
kühner, oft fast bedrückender Wucht des Vortragsgewesen
ist, sondern auch wie der zweite,
ein eminent geistreicher Landschaftszeichner,
taten wohl das meiste, um Stadlers Anschauung
und Streben in jene Bahnen zu lenken,
die auch seiner persönlichen Veranlagung am
besten entsprachen. Vertieft wurde seine Erkenntnis
später durch die Bekanntschaft mit
Hans Thoma. Ein wundervolles Schwarzwaldbild
des Meisters hängt heute noch an der
„Ehrenwand" von Stadlers Atelier und es ist
bezeichnend, daß durch sein Bemühen in den
neunziger Jahren jene denkwürdige Hans
Thoma-Ausstellung im MünchenerKunstverein
zustande kam, die den Frankfurter Meister
eigentlich erst endlich einmal durchdrückte.
Und durch Stadlers Verdienst sind dann später
jene posthumen Stäbli-Ausstellungen entstanden
, welche der Welt, vielfach zu deren
Ueberraschung, erzählt haben, welch ein ge-
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