http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_13_1906/0112
nialer, kühner, selbstherrlicher Maler da in
München im Schatten gelebt hatte und in
Dürftigkeit gestorben war. Bei einem Manne
von der seelischen Klarheit und der ausgereiften
Kultur Stadlers war nicht viel Gefahr,
daß er durch starke Individualitäten wie Stäbli
und Thoma bis zur Unfreiheit beeinflußt werden
könnte. Er hat meines Wissens nie einen
Stäbli zu malen versucht und nie einen Thoma,
sondern immer wieder man mißverstehe
das Wörtlein „nur" nicht! - - nur einen Stadler
. Bei aller bedingungslosen Verehrung für
seine Meister, die er gar nicht hoch genug
gewertet sehen will, weiß er aber doch recht
gut, wie viel er Eigenes zu sagen hat. Eine
Bescheidenheit, die etwas wert sein soll, setzt
ja immer ein geklärtes Selbstgefühl voraus.
Toni Stadler wurde am 9. Juli 1850 in
Goellersdorf (Niederösterreich) als der Sohn
eines Wirtschaftsrates geboren. Er erhielt
seine erste Bildung in Wien, wo er 1868 das
Gymnasium absolvierte, um dann in Wien
und später in Würzburg Medizin zu studieren.
Zu ihr zog ihn nur der Zwang, ein Brotstudium
zu wählen, zu den Naturwissenschaften
im allgemeinen freilich eine wärmere
Neigung, die er auch später nicht verloren
hat und die vielleicht sogar in seinem künstlerischen
Wesen ihren Ausdruck findet. Er
hat einen eigenartig guten Blick für geologische
und botanische Formen. Gezeichnet
hatte er von Jugend auf mit Vorliebe und
schließlich hielt er es bei der Arzneiwissenschaft
nicht mehr aus, hängte sie 1873 an den
Nagel und wandte sich der Malerei zu. Zunächst
kam er nach Berlin, wo ihm u.a.
Paul Meyerheim viel freundliches Entgegenkommen
zeigte und 1878 siedelte er nach
München über. Später, als er einen Haushalt
gegründet, bewohnte er jahrelang in dem Vorort
Laim ein idyllisch gelegenes Haus, in
dem sich der Sage nach einst Agnes Bernauer
aufgehalten haben soll. Die Landschaft dort
mit dem freien Blick und der Alpenkette im
Süden entsprach wohl ganz besonders seinen
Neigungen. Von dort dürfte das prächtig
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