Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 13. Band.1906
Seite: 82
(PDF, 172 MB)
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_13_1906/0118
DIE KUNSTLERISCHE WIEDERGEBURT DES MENSCHEN

AUS DER LANDSCHAFT

Von Henry Thode
II.

Auf diese Beziehungen zwischen Malerei und
Musik sah ich mich genötigt kurz einzugehen
, einmal weil es für die Erkenntnis
des historischen Zusammenhanges, in dem gewisse
Erscheinungen in beiden Künsten stehen,
wichtig ist, und dann weil ein Buch von
G. Niemann, in welchem Böcklin mit Richard
Wagner verglichen wird, von Meier-Graefe mit
Hohn behandelt worden ist. Diese Schrift
brachte geistvolle und tiefgreifende Bemerkungen
über die eben berührte Frage, wenn
auch der Verfasser sich hinreißen ließ, jene
von mir hervorgehobene Grenze zwischen
den beiden Künsten nicht zu beachten, sondern
eine Wesensidentität der Landschaftsmalerei
und der Musik zu behaupten wagte. Leicht
war es, dies als die Idee eines Ueberspannten
hinzustellen, wenn man nur das Extreme ins
Auge faßte. Auf dies aber kommt es, wie
Alfred Peltzer, der mit Schärfe das Bedeutende
in dieser Schrift in einer Besprechung
hervorhob, nachwies, nicht an, sondern auf
die Darlegungen über jene geheimnisvolle
Annäherung zwischen den beiden Künsten.
Gewahren wir, wie in der langen Entwick-

toni stadler

lung der Malerei das landschaftliche Element
immer stärker in den Vordergrund tritt, so
stellt sich nun im 19. Jahrhundert als das
wichtigste und markanteste Ereignis heraus:
die künstlerische Neugeburt des Menschen aus
der Landschaft. Dies ist die große phänomenale
Tatsache : die Landschaft genügt den
starken schöpferischen Geistern nicht mehr,
sondern aus der landschaftlichen Stimmung
heraus, heraus aus dem Unbestimmten, was
die Landschaft doch an sich hat, sehnt sich
der Künstlergeist wieder nach der bestimmten
Gestalt des Menschen. Und so entsteht von
neuem ein mythologisches Schaffen. Die Natur
ist von der Kunst erobert worden. In langem,
heißem Sehnen ist der Mensch dahin gelangt,
sie als Spiegel des Seelenlebens im Bilde hinstellen
zu können. Und siehe da! Der Augenblick
kommt, da diese so beherrschte Natur
wiederum, wie in den Zeiten der Gestaltung
eines Volksglaubens, in menschliche Erscheinung
verwandelt wird.

Wie konnte das in den Zeiten unserer hochentwickelten
Zivilisation möglich werden?
Es gibt hierfür wohl nur eine Erklärung.

Das Suchen eines
freien, ursprünglichen
Menschentums ist es
gewesen, welches, von
der Liebe zur Natur
und dem tief erkennenden
Verständnis
für sie veranlaßt und
geleitet, zu solchen
neuen Bildungen geführt
hat. Diese Sehnsucht
nach dem rein
und ewig Menschlichen
fand ihren ersten
Ausdruck im 18. Jahrhundert
. Im Widerspruch
zu einer alle
Wahrhaftigkeit bedrohenden
, unerträglichen
Zivilisation und
Konvention. Mächtig
und mit sich fortreisend
ertönt der große
Ruf der Seele nach
Freiheit, nach einer
bei Bruckmühl Rückkehr zum Natür-

82


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_13_1906/0118