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-^4s£> AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS <^-^
empfundenen. Er bedient sich der Entdeckungen
Monets mit derselben Ungeniertheit, wie er die
mondainsten Damenerscheinungen aus den Bildern
gewisser Modemaler nimmt, um sie in die seinen
zu setzen. Er produziert mit einem Wort modernen
Kitsch. Eugen Spiro hat gewiß viel weniger ursprüngliche
Begabung als Ranft, viel weniger Können
und Geschmack; aber die von ihm hier vorgeführten
Arbeiten wirken gegen die des Schweizer Parisers
fast temperamentvoll. Spiro bemüht sich anscheinend
, die Flauheit seiner Farbengebung zu überwinden
und bei aller Helligkeit auch Kraft zu entfalten
; aber einer seiner Hauptfehler bleibt immer
noch bestehen: Die Unempfindlichkeit gegen stoffliche
Reize. Seine Malerei kennt keinen Unterschied
zwischen der weichen Haut eines Frauenkörpers
und einem Kleide. Auch die Differenzierung von
Licht im Raum und Freilicht genügt vielfach nicht.
Immerhin weisen mancherlei Zeichen darauf hin,
daß Spiro an seiner Entwicklung arbeiret. Ein Selbstporträt
, ein Bildnis des Schauspielers Valentin und
ein Kücheninterieur — Grau und Blau — sind nicht
übel. Eine Darstellung der halbnackt tanzenden »Salome
« müßte farbig und zeichnerisch viel temperamentvoller
sein, um einen starken Eindruck hervorzurufen
. In den Bildern von Julie Wolf-Thorn,
zumeist Landschaften, ist eher ein Nachlassen als
ein Fortschreiten im Künstlerischen zu konstatieren.
Gegen frühere Leistungen haben dieseneuen entschieden
etwas Unpersönliches. In Emmy Schulze-Schulzendorf
, die märkische Landschaften und ein etwas
verquältes Porträt eines amerikanischen Geistlichen
ausstellt, lernt man eine nicht unbegabte Schülerin
Ulrich Hübners kennen, der einstweilen noch das
selbständige Verhältnis zur Natur fehlt und die auch
als Malerin noch nicht fertig ist. Die Arbeiten des
verstorbenen Bildhauers Arthur Boue lassen eine
ausgesprochene Begabung für Porträtplastik erkennen,
aber auch einen ziemlich im Trivialen befangenen
Geschmack. Sehr merkwürdig ist eine überlebensgroße
, wohl für einen bestimmten Zweck geschaffene
»Christus-Statue« von Adolf Brütt in polychromer
Behandlung. Der nur mit einem violettgrauen, auf
der rechten Schulter mit einer Spange befestigten,
die linke Brust freilassenden Mantel bekleidete goldhaarige
und bärtige Heiland steht mit ernstem Antlitz
und fast herabhängenden Armen da. Man kann
im Zweifel sein, was die Bewegung der sich leicht
vorstreckenden Unterarme mit den offenen Händen
ausdrücken soll. Ein Einladen, Empfangen ist wohl
beabsichtigt, aber die Gebärde erinnert auch bedenklich
an die Positur eines Athleten, der im Begriff
ist, seinen Gegner zu packen. Die Figur ist ganz
auf Beleuchtung von obenher angelegt und gibt
unter einer solchen sehr feine Schattenwirkungen.
Natürlich hat der Künstler nicht versäumt,der Augenpartie
auf diesem Wege ein geheimnisvolles Leben
zu verschaffen. Er ist überhaupt mehr auf malerische
Wirkungen ausgegangen als auf plastische,
ganz abgesehen von der Bemalung, die nicht ohne
Geschmack verwendet ist. Dennoch haftet der ganzen
Erscheinung etwas Theatralisches, Aeußerliches an.
Dieser Christus weiß, daß er schon durch seine
persönlichen Vorzüge wirkt. Einen neuen, geistig
bedeutenden Christustypus hat Brütt leider nicht
geschaffen. Max Klein läßt eine anmutige Brunnenfigur
, ein nacktes schlankes Mädchen, die einen Krug
lässig ausschüttet, sehen. Eine zierliche und saubere
Arbeit, die nur durch einen gar zu hübschen Kopf
etwas Süßliches bekommen hat.
Das Künstlerhaus bringt eine kleine Kollektion
»Wiener Schule«, die durch Waldmüller und Alt
auch für Berlin wieder Aktualitätsreiz erhalten hat.
Man sieht einen sehr feinen Rudolf Alt, »Wallen-
steinburg in Eger« und findet seine Art erfrischt
fortgesetzt in zwei überaus intimen Aquarellen
»Brücke« und »Park« von Robert Russ, denen
man gar nicht ansieht, daß ihr Urheber einst nicht
breit und groß genug malen konnte. Daist Pettenhofen
mit einigen wundervollen Stückchen, unter
denen ein »Gemüsemarkt« die Perle vorstellt, und
Franz Rumpler, der ihm nachgegangen ist und
sich in dem hier vorgeführten Stilleben — ein
Blumentisch vor einem mit Gardinen verhängten
Fenster — doch als ein eigener Künstler erweist.
Die Licht- und Luftbehandlung an diesem Bilde ist in
ihrer Art direkt meisterhaft. Eine prächtige Landschaft
von J. C. Schindler zeigt diesen noch in
Verbindung mit Ruisdael. Endlich lernt man auch
Hans Schwaiger hier als Maler kennen. Ein
»Bauerngehöft«, in dessen grünen Garten zwei Kinder
in roten Jacken spielen, empfiehlt ihn freilich
mehr als ein Architekturbild aus Brügge, das
ganz unmalerisch, aber zeichnerisch vortrefflich ist.
Zwischen diesen mehr oder minder modern anmutenden
Künstlern erscheint auch Hans Makart,
dessen Werke mit ihrer Wiener Renaissanceaufmachung
höchst antiquiert wirken. Freilich: malerische
Qualität haben auch diese Sachen und von ihnen
»Die Falken jägerin« am allermeisten ; aber es ist nicht
anzunehmen, daß solche im Grunde faden Kostümstücke
noch einmal sehr hoch in der Achtung der
Kunstfreunde steigen werden. Alle Genialität hilft
hier nicht über das Theater fort. Recht interessant
sind auch einige ältere Münchener Bilder. An einem
frühen kleinen genrehaften Frauenporträt von F. A.
von Kaulbach, »Auf der Promenade«, findet man
außerordentliche Feinheiten der Farbe und des Tons,
fast an Stevens gemahnend. Uhde ist durch eine
prächtige Studie dreier ärmlicher Kinder in seinem
Atelier, unter dem Fenster stehend, vertreten, die
durch Uebertreibung des Lichts fast wie eine Freilichtstudie
wirkt, aber in dieser blonden Helligkeit
und in der famosen Zeichnung ihren besten Reiz
hat. Von gleicher Güte ist der Studienkopf eines
hellblonden Bauern, während die »Münchener Hille
Bobbe« unter einer etwas flackrigen Farbengebung
leidet. Die Bilder von Gabriel Max, »Elisabeth
im Gebet für Tannhäuser« und »Die letzte Habe«,
sind im Gegenstand für den heutigen Geschmack
unleidlich theatralisch, entzücken aber durch malerische
Delikatesse. Wie reizvoll ist der Akkord von
Lichtblau, Schwarz und Weiß in dem zweiten Bilde!
Auch ein »Gretchen im Gebet« stammt aus dieser
guten Zeit des Malers. Man findet in dieser Ausstellung
ferner einen großen, in der Komposition sehr
reichen Turner mit einer Sonne im Hintergrunde,
die das Meer, Prachtbarken, Schloßbauten, Baumgruppen
und eine Anzahl von watenden Schönen
in bunten Kleidern mit ihrem Lichte übergießt.
Charakteristisch für des Meisters Art, aber keine
besonders hochstehende Leistung. In dem neuerdings
nach Berlin übersiedelten Paul Hermann,
der sich in Paris H. Heran nannte, lernt man einen
ebenso vielseitigen wiegeschickten Graphiker kennen,
der nicht nur alle Techniken beherrscht, sondern
sich auch in der Weise aller berühmten französischen
Zeichner auszudrücken weiß. Wer diese nicht
kennt ''nd wen der Mangel an Persönlichkeit nicht
stört, m^g ihn selbst vielleicht für einen hervorragenden
Künstler halten. Er ist aber nur ein gelernter
.
Hans Rosenhagen
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