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-*==s^> BILDNISSE VON KÜNSTLER-MÜTTERN <^^-
wohl verdankt Rossetti jene Charakterbildung,
die ihn zu dem werden ließ, was er wurde.
Ganz prächtig erscheint Kampfs Zeichnung
in der Erfassung des Charakteristischen.
Wenn man das Bildnis anblickt, ist es einem,
als ob man den Menschen kennen gelernt
habe. Man fragt nicht weiter, das Werk überzeugt
von selbst. Das ist an sich schon eine
große Leistung.
Als Zeichnung kann auch das Thoma-
sche Mutterbildnis gelten, wiewohl es auf
einer Steindruckunterlage entstanden ist. Der
wunderbare Farbenzusammenklang von verschiedenem
Grün mit dem Kreideton, dem
Weiß und dem ins Lila herübergleitenden
Silber der Umrahmung beruht ganz auf
Ueberzeichnung des Druckes. Das so bemalte
Original — das ansprechendste der
drei lithographierten Bildnisse seiner Mutter
ist eines der geschätztesten Blätter
Thomas im Besitz des Dresdener Kupferstichkabinetts
.
Von den Oelbildern unter unseren „Müttern"
frappieren wohl am meisten das erste und das
letzte, der Rethel und der Whistler. Rethel
(s. Abb.S. 100) malte seine Mutter noch als Jüngling
sozusagen, und es muß einen überraschen,
ihn dabei so technisch gewandt zu sehen, der
in seiner späteren Kunst das Augenmerk doch
wirklich auf alles andere eher als auf die vollendete
Technik richtete. Ueber Whistlers
Mutterbildnis sind schon herrliche Prosagedichte
geschrieben worden. Es ist eines der zehn
schönsten Kunstwerke, die das neunzehnte
Jahrhundert hervorgebracht hat. Jetzt ziert es
die Luxembourg-Galerie in Paris. 1888 war
es auf der dritten internationalen Kunstausstellung
zu München. Dort hat ihm die Jury eine
Medaille zweiter Güte zuerkannt! Ob sie das
heute nicht gern ungeschehen machen möchte !
JAMES Mc. NEILL WHISTLER
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DES KÜNSTLERS MUTTER
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