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-^4s£> DIE FRÜHJAHR-AUSSTELLUNG DER WIENER SEZESSION
JULES DE KOLLMANN BILDNIS DER FRAU G. B. MIT IHREM SOHN
Frühjahr-Ausstellung der Wiener Sezession
ist, neoarchaische Stilkunst zu werben. Die
Mitglieder der Vereinigung selbst boten ein
praktisches Beispiel, indem sie die Apsis
einer Taufkirche architektonisch getreu errichteten
, an deren Schmuck durch Wandmalereien
monumentaler Größe, durch Glasfenster
und Schnitzwerk den Sommer hindurch
mit voller Hingabe gearbeitet wurde.
Nach dieser programmatisch bedeutsamen
Herbstausstellung folgte man der hergebrachten
Ueberlieferung des Hauses, die weitest gehende
Gastfreundschaft auszuüben: es wurden
sämtliche Räume der Münchener „Scholle"
zur Verfügung gestellt. Einstweilen waren
frische Truppen nachgerückt, aus allen Werbebezirken
Oesterreichs, so daß die gegenwärtige
Ausstellung mit Zuversicht den heimatlichen
Charakter hervorkehren durfte.
Damit war ein äußerlich begrenzender Kreis
gezogen, der ideell insofern über die politischen
Markungen hinausreicht, als er die Teilnahme
im Ausland ansässiger Oesterreicher in sich
begreift. Die schwarzgelben Grenzpfähle
bedeuteten auch für die polnischen Künstler
keine Einschränkung, weshalb die aus Galizien
Stammenden als eine außerordentlich starke
Gruppe in dem Gesamtbild vertreten sind. Doch
wertvoller als solche katalogisierende Beobachtungen
ist ein inneres Merkmal, welches allen
Sälen ihr Gepräge gibt: daß viel jugendlicher
Nachwuchs sich zu den älteren „ordentlichen"
Mitgliedern der Vereinigung gesellt. Von demselben
Gesichtspunkt ausgesehen, fällt weiters
die neue Generation von Plastikern auf, die in
erster Reihe betrachtet werden soll, weil sie, bisher
immer vermißt, nun endlich die Erfüllung
eines oft laut gewordenen Wunsches verheißt.
Es kommt auch die Architektur ausgiebig zu
ihrem Ausstellerrecht, während sie sonst,
wenige Ausnahmsfälle abgerechnet, bloß der
- leider, darf man hinzufügen, — kurzlebigen
Raumgestaltung dienen mußte.
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