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-ffl-4^> DIE XI. AUSSTELLUNG DER BERLINER SEZESSION <^=^
standenen Landschaften hier
verdienen das größte Lob.
Wenn man von Otto Reiniger
auch schon öfter diesen
„Fluß" (s. Abb. S. 438) gesehen
hat, auf dessen Wasser
der erste fahle Glanz der
Morgensonne schimmert —
von Mal zu Mal scheint die
Kunst dieses unvergleichlichen
Malers großzügiger zu
werden. Dieses letzte Bild ist
eine seiner allerschönsten
Schöpfungen. An Hermann
Pleuer's „Kurve" mit dem
heransausenden Eisenbahnzug
(s. Abb. S. 435) sind schöne
Fortschritte sichtbar. Graf
Kalckreuth hat leider nicht
sehr bedeutende und längst
bekannte Sachen geschickt.
Auch Wilhelm Trübner
könnte gern mit wichtigeren
Arbeiten vertreten sein. Der
große Meister verleugnet sich
ja auch in geringeren Werken
nicht, aber man ist seit ein
paar Jahren so gewohnt, erstklassige
Schöpfungen von
Trübner hier zu finden, daß
man unzufrieden ist, solche
dieses Mal entbehren zu müssen
. Immerhin sind der aus
den siebziger Jahren stammende
„Weibliche Studienkopf
" (s. Abb. S. 441), das
drollige kleine Mädchen in
Mantel und Mützchen, die beiden von grünen
Reflexen überschütteten Männerporträts und
eine grüne Wiese Leistungen, die den Künstler
recht anständig repräsentieren. Alice Trübner
läßt zwei eigenartige Stilleben sehen,
Hans Thoma zwei ältere Arbeiten, unter
denen das „Schloß Lauffenburg" (s. Abb.S. 435)
trotz seiner stark übersetzten Farbe den Vorzug
verdient vor dem symbolisch gemeinten
„Säemann".
Soviel Anregung der Saal der Neo-Impressionisten
auch jedem vorurteilslosen Besucher
bietet — ihm fehlt ein wenig das Kunstwerk,
vor dem man sich in unbedingter Ehrfurcht
neigt. Es steht mit einem Wort in den Reihen
der Neo - Impressionisten keine wirklich bedeutende
Persönlichkeit. Das ist auch wohl
der Grund, warum sich die Richtung selbst
noch nicht durchzusetzen vermochte. Dazu
kommt noch, daß in den meisten Bildern das
Doktrinäre der Technik durchaus im Vorder-
w. trübner
weiblicher studienkopf
Ausstellung der Berliner Sezession
grund bleibt und auf die Darstellung drückt,
ja dieser sogar etwas Unpersönliches gibt.
Und was ist gefährlicher für ein Kunstwerk,
als daß man es als unpersönlich empfindet.
Für gewisse Dinge, wie das Glitzern des bewegten
Wassers unter der Wirkung des Sonnenlichtes
, haben PaulSignac und EdmondCross
vorzügliche Darstellungslösungen gefunden;
aber man sieht keine Notwendigkeit dafür, daß
Maxime Luce seine „Steinsetzer" (s. Abb.
S. 449) auf neoimpressionistische Weise malt,
oder warum Theo v. Rysselberghe sich für
seinen „dekorativen Entwurf" (s. Abb. S. 438)
nicht solange dieser Technik enthält, bis sie
für die auf Fernwirkung berechnete Ausführung
gefordert wird. Sobald das Prinzip
der Farbenteilung in freier Anwendung erscheint
, bleiben wie in Curt Herrmann's
Stilleben (s. Abb. S. 432), in den Arbeiten der
Pariserin Lucie Cousturier oder des Münchners
Alexei Jawlensky und in einer oder der
Die Kunst für Alle XXI.
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