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-^^> FRITZ VON UHDE
So bin ich hineingekommen. Man wird im
Leben immer mehr geschoben, als man schiebt.
Es ging ganz nach und nach — und dann
packte mich eben der Stoff und die Gestalt
selber . . . ."
Die große Gestalt, die ihn packte, ist die
Person des lichtbringenden Jesus. Uhde betont
selbst, daß er ihn frei, losgelöst von der
dogmatischen Religion auffaßte, auffaßte in
seiner menschlichen Reinheit und Größe, von
der die vielen, die sich seine berufenen Diener
nennen, so wenig wissen. Freilich hat jener
auch eine Anzahl von Bildern gemalt, in denen
er sich enger an die biblische Ueberlieferung
hielt und hat auch diese Aufgabe mit Meisterschaft
gelöst. Aber seine ganze Liebe war
nicht dabei, es war nicht sein Gott, den er
malte. Die andächtigsten, innerlich freiesten
und ergreifendsten Christusbilder Uhdes sind
die, in welchen er den Verkünder der Liebe
zeitlos und ganz menschlich schildert, als ein
Wesen von jener reinen hohen Güte, die durch
ihre Gegenwart schon Trost und Erlösung
bringt. „Lasset die Kindlein zu mir kommen"
(Abb. S. 7), „Komm Herr jesu, sei unser Gast",
1887 (Abb. S. 9), „Die Jünger von Emmaus",
1887 (geg. S. 8) sind solche Werke verklärter Andacht
. Auch das große „Abendmahl" (1885-
86) und die „Bergpredigt", 1886 (Abb. J. 1888/89
geg. S. 1) haben diesen hohen Menschlichkeitswert
und nicht minder „Die heilige
Nacht" (Abb. J. 1888/89 geg. S. 17), die im
Winter 1888 — 89 fertig wurde; auch „Die
Verkündigung an die Hirten" (Abb. J. 1898/99
S. 164), deren rührende Poesie einen jeden
mit Weihnachtsstimmung erfüllen müßte, selbst
wenn ihm der Vorgang noch so fremd wäre.
Daß den armen, im Dunkel harrenden und
leidenden Menschen eine frohe Botschaft von
Heil und Licht gebracht wird, kann keiner
verkennen. In allen diesen Bildern (und in
ungezählten anderen!) deckt sich das malerische
Problem mit dem gedanklichen: der
Stimmungszauber ist durch das Licht im Bilde
gewonnen. Dort sind's die breiten Ströme
goldigen Sonnenscheins, die in eine hochfenste-
F. VON UHDE
IN DER SOMMERFRISCHE (1883)
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