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prächtiger großer Roger van der Weyden, die
Verkündigung — kostbar erhalten, wie fast alle
Bilder der Sammlung; dann zwei kleinere
Bilder von Roger, zwei Flügelbilder mit Stiftern
vor Landschaft und ein Jünglingsporträt von
Memling, eine „Ruhe auf der Flucht" von
G. David (wohl sein anziehendstes Bild) und
anderes mehr, daneben ein paar Spanier: ein
köstlicher Mädchenkopf von Velasquez und
ein Porträt von Greco. Eines der Wohnzimmer
schmücken die Bilder des 18. Jahrhunderts
: von Watteau und seinen Nachfolgern
, von Boucher, Fragonard (von beiden
Hauptwerke), Greuze, Nattier, von Guardi
und Tiepolo, von Gainsborough und anderen.
In den übrigen Wohnzimmern und im Eßzimmer
bilden die herrlichen großen Gobelins
von Boucher und Coypel den Wandschmuck,
während ausgewählte Büsten, Bronzen, Porzellane
der Zeit auf und zwischen den Möbeln
der Marie Antoinette und anderem trefflichen
Mobiliar des 18. Jahrhunderts stehen. Das
Arbeitszimmer und die Nachbarräume im Erdgeschoß
schmücken lauter Werke der Renaissance
: neben Bildern von Q. Massys, D. Strigel
und anderen deutsche und französische Holzskulpturen
, italienische Marmorbüsten, Bronzen
und Miniaturen. — Es sind nicht nur
die großen Namen, vor allem ist es die
Qualität ihrer Werke, welche der Sammlung
ihren hohen Wert gibt, selbst vor den meisten
öffentlichen Sammlungen. Ihre treffliche Erhaltung
, die geschmackvolle Einrahmung in die
ausgewähltesten Rahmen der Zeit und die vornehme
, geschmackvolle Aufstellung erhöhen
die Wirkung und den Genuß an der einzigen
Sammlung, der leider nur ein zu kurzes Dasein
vergönnt war! Denn erst jetzt tritt sie
zur Erscheinung, wo ihr Ende schon entschieden
ist.
VERMISCHTE NACHRICHTEN
OERLIN. Die Stadt Leipzig hat den auf der Großen
Berliner Kunstausstellung ausgestellten Schäferbrunnen
von Bildhauer Bernhard frydag-Char-
lottenburg zum Zweck der Aufstellung im König-
Albert-Park angekauft.
"WIESBADEN. Ein Ideenwettbewerb für ein Mu-
seum in Wiesbaden wird für deutsche Architekten
vom Magistrat daselbst ausgeschrieben. Ein-
lieferung der Entwürfe bis 23. Dezember. Preise in
Höhe von 5000, 3000 und 2000 M. Zur Beurteilung
sind u. a. die Professoren Hofmann in Darmstadt,
Messel in Berlin und Gabriel von Seidl in München
berufen.
DEGENSBURG. Hier gelangte vor kurzem am
Stobäusplatz ein von den beiden Münchener
Künstlern Architekt German Bestelmayer und
Bildhauer Georg Albertshofer geschaffener Zierbrunnen
zur Aufstellung. Der Brunnen weist die
Form einer Bankanlage auf, deren Rückwand ein
Relief, einen eine widerstrebende Nymphe ins Wasser
ziehenden Wassermann, zeigt. Das Wasser fließt
durch einen grotesken Fischkopf in eine Muschel
und von da in ein zweites Bassin. Die Wirkung des
reizenden Werkes in seiner Umgebung ist höchst
harmonisch.
IDERLIN. Es besteht die Absicht, auch im kom-
menden Winter in der hiesigen Secession wieder
eine Schwarz-Weiß-Ausstellung zu veranstalten.
YV7IEN. Die drei Deckengemälde, welche Gustav
Klimt im Auftrag des Unterrichtsministeriums
für den Festsaal der Universität geschaffen hat, wurden
vor einiger Zeit durch den Künstler wieder rückerworben
; es ist dies bekanntlich infolgedessen geschehen
, daß eine Anzahl von Professoren sich gegen
die Zulässigkeit der ihrer Auffassung nicht entsprechenden
Kunstwerke verwahrt hatte. In letzter
Folge bleibt nur der Wunsch übrig, daß die von den
lehrhaften Fakultäten verfemten Bilder der Philosophie
«, »Medizin« und »Jurisprudenz« dauernd und
öffentlich an einem geeigneten Orte derkünstlerischen
Betrachtung freigegeben würden. Jetzt sind sie an
den Wänden der Galerie Miethke, etwas beengt, zur
Aufstellung gebracht worden, zugleich mit etlichen
Zeichnungen von erlesener Grazie und einem Aquarell
auf Pergament, das deutlich von der Neigung des
Künstlers spricht, figurale Formen ins linear Ornamentale
zu wenden. Klimt hat die drei großen Gemälde
noch einmal übergangen, und aus dem, was
er betont und was er unterdrückt hat, geht nun deutlicher
noch als ehedem sein Bestreben hervor, von
der Darstellung im Räume zu einer Wirkung innerhalb
der Wandfläche zu gelangen. Nichts kann dafür
bezeichnender sein als die fortschreitende Verwendung
des aller Modellierung feinden Goldes:
zuerst nur in Flocken, flirrend und beweglich, dann
als gleißender Schmuck um den Scharlach der Hygiea,
endlich in scharf begrenzten Gebilden, die wesentlich
dazu beitragen, daß das Ganze sich dem Mosaikstil
nähert. Noch macht sich hier das Kompromiß
mit dem Tafelbild geltend, denn manche Einzelheiten
der »Jurisprudenz« sindin ihrersubtilen Durchführung
bloß dem nahen Auge zugänglich; aber die Komposition
ist straffer geworden, zwingender im Zusammenhang
als bei der kosmischen Phantasie der
»Philosophie«, der die größte Schwingungsweite der
Stimmung eigen ist, und gegensätzlich zur lohenden
Farbensymbolik der unerbittlichen »Medizin«. Vollends
anziehend wird ein Vergleich durch die Beobachtung
, wie sehr Können und Wollen fortschreitend
einander steigern. Karl m. Kuzmany
NEUE KUNSTLITERATUR
Oscar Bie. Was ist moderne Kunst? (Die
Kunst, herausgegeben von R. Muther, Band 51.)
Berlin, Bard, Marquardt & Co. M. 1.50.
Das Buch enthält eine Reihe von sechs Vorlesungen
, in denen der Verfasser nicht sowohl darauf
ausgeht, Definitionen zu bringen, als vielmehr darauf,
die Schlagworte, die so viel Unheil anrichten, energisch
zu bekämpfen. Die Hauptlehre, die Bie geben
will, ist die, daß die moderne Kunst viel zu lebensstark
und frei ist, um sich in gewaltsame Systeme
zwingen zu lassen. So will er auch seine Hörer —
oder Leser — wohl vor allem dahin führen, der
modernen Kunst gegenüber jeden von Tradition
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