Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 26
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-^^> JOHN SINGER SARGENT <^=^

nicht doch falsch geurteilt hätten; sie mußten
schließlich sehen, wie er nicht nur der in
England wohl populärste Porträtmaler der
Gegenwart wurde, sondern auch Aufnahme als
Mitglied in die geheiligte „Royal Academy"
fand.

Zu den besten künstlerischen Erlebnissen
zählen die Augenblicke, in welchen sich das
Werk eines Genies dem jugendlich empfänglichen
Beschauer plötzlich offenbart. Dies
erfuhr der Verfasser, als er vor langen Jahren
nach einer längeren Abwesenheit von Europa,
abgeschnitten von jeder Möglichkeit, das
Schaffen der jüngeren Generation zu beobachten
, in der Royal Academy nach müh-

JOH N S. SARGENT

SIR HAMILTON

samem Umherwandern in jener Hochflut von
Gemälden zum erstenmal auf ein solches von
Sargent stieß, und sich ihm der Gedanke aufdrängte
: „Dies ist der Mann!"

Dieses Gemälde war ein Bildnis einesjungen
mit gelb gelocktem Haare, der in einem blauen
Matrosenanzug auf einem Teppich in der Ecke
eines Zimmers stehend dargestellt war. Die
Hänge-Kommission hatte ihm einen sehr erhöhten
Platz angewiesen, und die Kritik ignorierte
es oder machte es sonst schlecht; die
Farbe sei unrein, dieTechnik entsetzlich und so
fort. Dies Porträt bildet jetzt als anerkanntes
Meisterstück die vornehmste Zierde eines englischen
Landhauses.

Nicht lange vordem hatte Sargent
erfahren, wie unversöhnlich die Kritik
einem wirklich individuellen Kunstwerk
gegenüber sein kann; sein berühmtes
Porträt der Madame Gautreau
(Abb. S. 34), das im Salon von 1884
ausgestellt war, war solchen Anfeindungen
ausgesetzt, daß es fast von
Paris wieder nach London zurückgebracht
werden mußte. Wie der
Verfasser, der seither oft das prächtige
Bild in Sargent's Atelier gesehen hat,
und dabei jedesmal von neuer Bewunderung
durchdrungen wurde, so
würde heute jedermann die Schmach,
die dem Bilde angetan wurde, unbegreiflichfinden
. Einigejahre später
berichtete Harpers Magazine: „Das
Porträt der Madame Gautreau ist ein
Werk von bleibender Schönheit; die
wilde und rohe Kritik, die es erfuhr,
beweist nur, ein wie gefährliches
Wagestück es für einen Künstler ist,
etwas Außergewöhnliches zu schaffen,
anstatt sich damit zufrieden zu geben,
beharrlich und für immer konventionell
zu bleiben."

Sargents Empfänglichkeit ist ungewöhnlich
groß, und wie bei allen
bedeutenden Künstlern hat dieses
Aufnahmevermögen sich nicht in
bloßer Nachbildung erschöpft, sondern
hateinengroßen Stil, dendirekten
Ausdruck seines eigenen bemerkenswerten
Temperaments gezeitigt. Man
muß nur sein Schaffen recht übersehen
, und man wird verstehen, wie
er die Gewalt eines Goya, Velasquez
und Manet auf sich hat einwirken
lassen und doch immer er selbs' geblieben
ist.

Der englische Schriftsteller Robert
Louis Stevenson schreibt einmal von

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