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ERINNERUNGEN AN DEN
MÜNCHENER ALLOTRIA-KREIS
Von Louis Corinth
I.
|ie Gemütlichkeit des Münchnerischen
Künstlerlebens
kulminierte zu Anfang
der achtziger Jahre im
vorigen Jahrhundert in der
jungen, kurz vorher gegründeten
Allotria. An
Charakteren war dieser
Verein reich; aber trotzdem ragten aus dieser
Ansammlung einige als Riesen hervor, die zwar
keine nennenswerten Kunstwerke hinterlassen
haben, aber kraft ihrer Lebenskunst als Genies
bezeichnet werden müssen. Viele dieser Originale
haben zwar einen „lütten Schuß" Aehn-
lichkeit mit Rameaus Neffen, besitzen aber
in Witz und Ernst eine geradezu antike Größe.
Als Beispiel sei das Sterben Gedons vorgeführt.
Gedon war der erste Präsident der Allotria.
Er war eine verkleinerte Ausgabe des Universalgenies
Lionardo. Er baute, bildhauerte,
sammelte; ein Kleinod seiner Sammlung soll
ein gotischerSchuhgewesensein. München war
zu jener Zeit gerade von dem Renaissancedusel
ergriffen; in diesem Stil baute er auch das
Schack-Haus, das jetzt im Besitz des Deutschen
Kaisers ist und um das jeder rechte Münchener
Bürger einen weiten Bogen macht, um ja nicht
die ihm so verhaßten preußischen Fahnenstangen
und Adler zu Gesicht zu bekommen.
Noch in den besten Jahren erkrankte Gedon
an einem krebsartigen Leiden. Von den
Aerzten hatte er genaue Aufklärung verlangt
und im besonderen mußten sie ihm den Zeitpunkt
angeben, wann er nicht mehr aus dem
Hause durfte. Als nun die Stunde gekommen
war, bestimmte er noch ein Abschiedsfest in
der Allotria. Alles fand sich natürlich ein.
War die eigentümliche Feier auch anfangs
ernst und von trauriger Stimmung, so wirkten
doch die Getränke und gegen Morgen soll
kaum ein Abend fröhlicher geendet haben wie
dieser. Von da ab ist Gedon lebend für niemand
mehr sichtbar gewesen. Ich finde im ganzen
Plutarch keinen Helden, dem sich nicht dieser
Leidende würdig zur Seite stellen könnte.
Der Nachfolger Gedons im Vorsitz war Len-
bach. Er verstand es, eine Schar Trabanten um
sich zu sammeln, um die ihn jeder König beneiden
konnte. Ich denke da hauptsächlich an das Freundespaar
: Gustav Schwabenmaier und Stäbli.
Letzterer ist auch als Landschaftsmaler zu
Ehren und Würden gekommen, sowohl in
seiner Schweizer Heimat als auch in München,
aber es war etwas spät; die goldene Medaille
im Glaspalast hat er sogar erst als Toter
erhalten. Schwabenmaier war als Vereinsdichter
berühmter als in seinem Beruf als Maler.
„Guschtav Schwabemaier" nannte er sich
in seinem schwäbischen Dialekt; „Guschtävle"
riefen ihn die Freunde.
„Was tut mir vieles Wissen not!
Als Brunnquell froher Lieder
JOHN S. SARGENT
Mme GAUTREAU
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