Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 50
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-^4^> wilhelm von diez <^=ö-

er gab Form und Bewegung so sicher und in
so frischem Zug, daß man seine helle Freude
daran haben mußte. Den Begriff des Malens
mag die Generation von heute ein wenig anders
fassen — dieser Begriff ist ja ewig im Fluß.
Aber es soll nicht vergessen werden, daß gerade
Wilhelm Diez zu denen gehörte, die
diesen Begriff aus der Piloty-Schule heraus
nicht nur vertieft und verfeinert haben, sondern
überhaupt erst erobern halfen! Seinen
absoluten Wert auf diesem Gebiete richtig
einzuschätzen, dazu fehlt uns heute noch die
Distanz. Aber ich meine, die Zukunft wird
ihn einmal recht hoch stellen. Als Zeichner
können wir ihn aber auch jetzt schon werten.
Und da steht er auf ganz stolzer Höhe. Seine
mit wundersam leichter Hand und doch so

w. VON diez

markig hingeschriebenen, so durch und durch
malerisch empfundenen, lebensprühenden und
prickelnden Zeichnungen, kann man zum guten
Teile als ebenbürtig gelten lassen neben Menzels
Friedericianischen Illustrationen. Vergleichen
ist freilich immer mißlich. Menzel
war delikater, korrekter, virtuoser und verstandesmäßiger
als Zeichner — in den Diez-
schen Federzeichnungen spürt man das lebhaft
pulsierende Blut eines kraftstrotzenden Temperamentsmenschen
. Gemeinsam war beiden die
seltene Fähigkeit, einen eminent persönlichen
und modernen Stil mit dem Verständnis für den
Stil vergangener Zeit in Einklang zu bringen.
Wie hat der Realist Menzel der Grazie des
Rokoko in seiner Sprache Ausdruck gegeben —
wie echt, wie verblüffend und überzeugend

sind die Bauernrebellen,
Landsknechte, Strauchdiebe
und Buschklepper des Wilhelm
Diez! Und der eine
hat ebensowenig daran gedacht
, Boucher oder Frago-
nard zu kopieren, als der
andere bei der Formensprache
eines Dürer oder
Jost Amman Anleihen aufzunehmen
brauchte! Was
dieser gab, war immer er
selbst! Mit einer unglaublich
schöpferischen, lebenspendenden
Phantasie hat
sich Diez in das Treiben
der alten Zeiten hineingearbeitet
— seine künstlerische
Anschauung nahm er
aus der eigenen Umwelt.
Sein Stoffgebiet war ungeheuer
reich, denn es war
im Grunde das „volle Menschenleben
", ob er ihm nun
die Gewänder des 14. oder
des 19. Jahrhunderts gab.
F. Pecht hat ihn einmal mit
einst beliebter Wendung
einen „Raffael aller Strolche
" genannt und in der
Tat ist er als Darsteller
schiffbrüchiger, verwetter-
ter, bedenklicher Gesellen,
aller der Typen, die der Salonmensch
nicht schön und
oft nicht reinlich findet, unerreichter
Meister. Das war
nicht seine Spezialität, sondern
seine Natur. Alles,
was sich auflehnte gegen
beim Wachtfeuer gesellschaftlichen Zwang,

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