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W. VON DIEZ
LACHENDE ALTE
was keine Kulturschminke auf den Wangen
hatte oder wenigstens die Farben animalischer
Gesundheit trug, hatte seine künstlerische
Sympathie, Krieg, Reiterei, Raubwesen
und Jagd ■— aber auch die ewig malerische
Arbeit des Bauern! Freie Luft
mußte um seine Gestalten wehen. Wilhelm
Diez hat auch manche Szene aus dem galanten
Jahrhundert verewigt, Herrenleute bei der Jagd
und wohl auch im zierlichen Liebesgetändel —
wie auf dem anmutigen Ofenschirmbild, das
wir, der Wölbung wegen leider ein wenig verschoben
, wiedergeben (Abb. S. 51) — aber
robust und gesund ist das immer, seinem
Wesen tat er nie Zwang an. Mag seine malerische
Technik bei aller Köstlichkeit ihrer Vollendung
und Reife in gewissem Sinne eklektisch
gewesen sein, das Ganze, was Diez gab, war
doch unmittelbar Produkt seiner Persönlichkeit
. Gewiß hat er bei Wouwerman malen
gelernt und dem Ostade und Teniers auch
manches abgesehen — aber man halte einmal
einen Diez der späteren Zeit gegen einen
Wouwerman, um zu erkennen, wie wenig sich
die Aehnlichkeit aufs Innere erstreckt, um wieviel
mehr ungedämpftes Feuer in den Bildern
unseres Landsmannes und Zeitgenossen lodert,
der hochkultivierten und kühlen Kunst des
Holländers gegenüber!
Wilhelm Diez war ein unverfälschtes Kind
seiner Zeit und war es auch in seiner Gefolgschaft
der Alten. Man muß nicht bloß
seine eigene Entwicklung von Kindesbeinen
an, man muß auch das München der siebziger
und achtziger Jahre kennen, um ihm
gerecht werden zu können. Man muß wissen,
wie sich da alles, Künstler und ein gut Teil
der Bürgerschaft, ins Wesen deutscher Vorzeit
einlebte, in ihm zu Hause war, in seinem
Reiz sich berauschte, aus seiner Pracht sich
bereicherte. Die vielbekrittelte Renaissance-
und Gotikschwärmerei jener Epoche, die ihre
Schatten ja auch noch ins Heute hereinwirft,
war damals gesunde und nützliche Reaktion
auf eine Zeit namenloser kultureller Armut.
Man braucht nur eine deutsche Möbelgarnitur
aus den fünfziger und sechziger Jahren anzuschauen
, und man wird dies begreifen. Wir
hatten nicht nur keinen Stil, sondern auch
auf allen Gebieten kein technisches Können
mehr. Und nun fand man alles wieder auf
dem Wege über jene Neuromantik, die freilich
viele, vielleicht sogar den Haupttrupp der
Schaffenden auf falsche Wege führte, sicher
aber auch ein buntes, produktives und vielgestaltiges
Leben entfesselte. Es war gewiß
ein Irrtum, zu glauben, man könne alte Kultur
so einfach wieder anziehen, wie ein Ritter-
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