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-s^> ERINNERUNGEN AN DEN MÜNCHENER ALLOTRIA-KREIS <^=M?~
Dann hielt er über „seinen väterlichen Freund
und Erzieher", so nannte er nämlich seinen
Vater, eine Rede, die von Lenbach erwidert
wurde, der blaß, mit tränenerstickter Stimme
das Lob des Alten sang. Ein schlechtes Subjekt
verglich diese Tränen mit Danziger Goldwasser
.
Und nun der Ehrentag der Allotria. Als
der große Bismarck selbst — den alten Säbelschleifer
nannte ihn das „Bayerische Vaterland
" ■ in ihren Räumen geweilt hatte.
„Der Zug bewegt sich nach dem Palais
des Kunstmalers von Lenbach, wo Seine
Durchlaucht auch wohnen wird." So stand
es an den Anschlagsäulen. Es war dieses
seine Reise über München nach Wien zur
Hochzeitsfeier seines Sohnes Herbert, nachdem
er schon seine Abdankung erhalten hatte.
Lenbach und Schwabenmaier erwarteten ihn
an der schmiedeeisernen
Pforte, die zu dem Pallazzo
führte. Schwabenmaierhatte
das eiserne Kreuz an die
Brust geheftet und rühmte
noch viele Jahre später, daß
der alte Titan sich beim Verlassen
des Wagens auf seine
Hand gestützt hätte.
Dann ging es abends zur
Allotria. Das Lokal war natürlich
überfüllt und an diesem
Abend ist es das einzige
Mal gewesen, daß auch
Damen, meistens den Frauen
und Verwandten der Mitglieder
, der Eintritt erlaubt
wurde. Sie wurden auf der
Galerie gewissermaßen interniert
.
Unter brausendem Hoch
wurde Er empfangen. Alle
Augen hingen an seiner Riesengestalt
, an seinem verhältnismäßig
kleinen Kopf
und dem hellrosigen Teint
seines Gesichtes.
Die „Tante" schleppte
einen Humpen heran, der
wohl ein ganzes Faß Flüssigkeit
enthielt und Bismarck
hob ihn federleicht mit einem
Arm empor, führte ihn
zum Munde und trank auf
das Wohl und Gedeihen der
berühmten Allotria.
Vom Erhabenen zum
Lächerlichen ist nur ein
Schritt. w. von diez
Kaum daß er die Gesellschaft verlassen
hatte, drängte sich alles wie ein Mann zu
seinem Bierglas, um die Lippen an die Stelle
legen zu können, wo er getrunken hatte, womöglich
noch ein Tröpfchen zu erhaschen.
Darin waren die Frauen die Rasendsten.
Hatte sie vorher der Respekt vor der Sitte
des Hauses in ihrer haremsartigen Abgeschlossenheit
ruhig zu verharren gezwungen,
so stürzten sie sich jetzt wie Furien herunter,
drängten alles beiseite und nur dieses einzige
Bierglas war das Ziel der Wünsche von unzähligen
Armen und Händen.
Gustav Schwabenmaier aber griff in die
Saiten und sang:
„Ein Jubelruf durchbraust das Reich
Vom Zugspitz bis zum Meere,
Dem Retter deutscher Einigkeit,
Dem Rächer deutscher Ehre.
gute beute
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