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Führer. Er war der
würdige Nachfolger
Heinrich Brunns,
ganz anders freilich
in Wesen, Arbeitsweise
und Zielen,
aber als Grundleger
und Bahnbrecher
ihm ebenbürtig. Er
war ein Mann, wie
ihn die Archäologie
brauchte, als mit
den Ausgrabungen
von Olympia und
Mykene eine neue
Epoche begann, ein
Forscher von der erstaunlichsten
Vielseitigkeit
, der die
kleinsten und die
größten Dinge mit
der gleichen Liebe
umfaßte, der ebenso-
gutdiealten Aschenschichten
am Altar des olympischen Zeus wie die
großen Züge in der Entwicklung der Monumentalkunst
beobachtete, dem aber alles Einzelne stets nur der
Teil des großen Ganzen war, an dessen Erkenntnis
er baute. Das ungeheure Material, das für die griechische
Kunst und Kultur im letzten Menschenalter
dem Boden abgerungen worden ist, hat er
nach allen Richtungen hin gekannt und geordnet;
aber nicht minder hat er den ganzen älteren Denkmälerbestand
neu durchforscht, überall tiefe Spuren
seines Wirkens hinterlassend. Er faßte die Denkmäler
in gleicher Weise auf als historische Zeugen
für die Kultur und Sinnesart der Alten, wie als
selbständige künstlerische Werte. Dazu war er ein
Kenner von untrüglicher Sicherheit des Blickes, der
gefürchtetste Vorkämpfer gegen das Fälschertum.
Für die griechische Bildhauerkunst hat er neue
Fundamente zu legen versucht in seinen »Meisterwerken
der griechischen Plastik« (1892); für die
PROF. ADOLF FURTWANGLER
f 10. Oktober 1907
Kenntnis der bemalten Vasen schuf er stilkritische
Grundlagen in dem Katalog der Berliner Vasensammlung
(1885) und dem Monumentalwerk der
»Griechischen Vasenmalerei« (zusammen mit Reichhold
, 1900 fg.); für die griechische Gräberkunst und
für die reizende Tonplastik der Alten schrieb er
die Entwicklungsgeschichte in der großen Einleitung
zur »Sammlung Saburoff« (1883 — 87). Die gewaltigste
Arbeit von allen aber ist wohl sein Werk »Die antiken
Gemmen, Geschichte der Steinschneidekunst
im Altertum« (1900), denn hier fehlte jegliche wissenschaftliche
Vorarbeit und nur ein Forscher von
so rascher Sicherheit des Blicks, solcher Ausdauer
und solchem Formengedächtnis konnte auf diesem
verwilderten Gebiet das Echte aus dem Gestrüpp
des Gefälschten heraushauen. Sein letztes großes
Werk, »Aegina, das Heiligtum der Aphaia« (1906)
schildert das Werden und Vergehen eines griechischen
Heiligtums, schenkt uns aber zugleich die
Geschichte des antiken Giebelschmuckes und eine
Geschichte jenes »strengen Stils« in der Skulptur,
den er besonders geliebt hat, und der die Knospe
ist, aus der die phidiasische Kunst hervorbricht.
Auch in der neueren Kunst war Furtwängler
überall bewandert und so konnte es kommen, daß
er immer mehr zum Führer aller kunstwissenschaftlichen
Bestrebungen in München wurde. Im Museumsverein
und in der Kunstwissenschaftlichen Gesellschaft
war er die treibende Kraft. Was er auch
anpackte, immer setzte er die ganze Wucht seines
stürmischen Temperamentes ein, hart gegen sich
in leidenschaftlicher Arbeit, oft rücksichtslos gegen
andere. Aber — was auch seine Gegner versöhnen
muß — in allem erkannte man die Größe seines
Könnens und seiner Ziele. h. Bulle
/GESTORBEN: in Dresden am 11. Oktober der Maler
Prof. Ernst Erwin Oehme, Ehrenmitglied der
Dresdner Akademie, im Alter von 76 Jahren; von ihm
sind die den sächsischen Prinzenraub 1415 illustrierenden
drei großen Bilder im Bankettsaal der Albrechtsburg
zu Meißen; die Dresdner Galerie besitzt von ihm
ein Bild: >Steinbruch in der Sächsischen Schweiz«.
OTTO LÜER UND KARL GUNDELACH « R.VON BENNIGSEN-DENKMAL IN HANNOVER
Nach einer Photographie von J. Schröder, Hannover
Redaktionsschluß: 15. Oktober 1907
Für die Redaktion verantwortlich: F. Schwartz
Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G. — Druck von Alphons Bruckmann. —
Ausgabe: 31. Oktober 1907
Sämtlich in München
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