http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0145
DAS BILD IM ZIMMER*)
Von Karl Scheffler
Trotzdem eine so unendliche Menge von
Bildern gemalt wird, gibt es nicht eben
viele, die an der Wand eine gute Wirkung
tun. Vor allem herrscht unter den Arbeiten
der letzten Jahrzehnte großer Mangel an
Bildern, die für das bewohnte Zimmer gemalt
scheinen. Die Ursachen für diesen Widerspruch
sind mannigfacher Art. Einmal stellt
der Maler sich fast nie einen Raum vor,
wohinein sein Werk passen könnte, weil das
*) Wir entnehmen diesen Aufsatz mit gütiger
Genehmigung des Verlages dem Werke: »Moderne
Kultur«. Ein Handbuch der Lebensbildung und des
guten Geschmacks. In Verbindung mit Frau Marie
Diers, W. Fred, Hermann Hesse, Dr. Georg Lehnert,
Karl Scheffler, Dr. Karl Storck herausgegeben von
Prof. Dr. Ed. Heyck. Band I: Grundbegriffe. Die
Häuslichkeit. Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt
. Geb. M. 15.—.
Bild nicht für bestimmte Fälle bestellt wird,
sondern aufs Geratewohl gemalt werden muß.
Ein Renaissancemaler konnte nicht leicht fehlen
, weil er den Architekturrahmen des Kircheninterieurs
, des Palastes, der sein Bild
umschließen sollte, genau kannte oder doch
jedenfalls das Prinzip kannte, dem er sich
zu unterwerfen hatte. Der für das Bürgerhaus
arbeitende holländische Maler sogar
konnte kaum fehlgehen, weil ihm der Charakter
der Räume, die in Betracht kamen,
vollständig gegenwärtig war. Wie sehr eine
Konvention über den Charakter des Interieurs
von Vorteil ist, sehen wir auch in der an
künstlerischen Qualitäten so armen englischen
Kunst: für den Raum, dessen Stimmung dem
Maler als etwas allgemein Gegebenes vorschwebt
, passen die englischen Aquarelle und
heinrich pforr
Deutsche Kunstausstellung, Köln
109
spielendes kind
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0145