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-s-£s£> FRANCISCO DE GOYA
müde sein wird (und wie bald wird das sein?)
mit samt Stammbaum und Ahnenprobe wieder
zu vergessen? Wir glauben nicht, denn was
der Kunstfreund von heute an Goya bewundert
, ist nicht die zufällige Aehnlichkeit seiner
Mache mit der heutigen Technik, sondern
die Persönlichkeit des Künstlers, die zwingende
Gewalt einer Herrennatur, die sich in
seinem Werk offenbart.
Das leidenschaftliche, unbändige Temperament
, das seine Schöpfungen verraten, ist
es, was an diesem Künstler immer fesseln
wird, sein unablässiges Ringen mit den Problemen
, welche die Wiedergabe von Licht,
Luft und Bewegung dem Maler stellen, rückt
ihn, den seit 80 Jahren Verstorbenen, in die
vorderste Reihe der Modernen. Als Goya
ein Jüngling war, da gab der langweilige
Eklektizismus eines Mengs den Ton an und
als er Mann geworden, da schworen Künstler
und Kunstfreunde auf den öden Klassizismus
eines David. Vor der „veredelten und verfeinerten
" Natur, wie sie Mengs liebte, vor
den blutlosen Schemen klassischer Gipsfiguren
Davidscher Richtung floh Goya in das Leben
und in die Wirklichkeit, um in seiner nächsten
Umgebung Schönheiten und Reize zu entdecken
, die sich die Akademiker mit dem
Kram ihrer zopfigen Formeln und Rezepte
verbanden. Jeden Strich seines Pinsels, jede
Linie seiner Radiernadel führte er im Widerspruch
zu dem, was seine Zeit schön fand.
Mengs und seine Schüler suchten alle Vorzüge
früherer Meister zu vereinen und kamen
doch nie über eine bloße Nachahmung hinaus,
Davids pathetische Kunst posiert und grimas-
siert; im Gegensatz zu beiden, die sich von
der Natur abwandten, ist Goya immer natürlich
. Im Widerspruch mit ihnen, die immer
nach Correggio und Raffael, nach römischen
und griechischen Marmoren schielten, ist
Goya immer nur er selbst, sie waren eben
Talente, Goya ein Genie. Mengs war in
Sachsen, in Italien, in Madrid zu Hause,
Davids Anschauungen beherrschten die gesamte
Kulturwelt, sie waren überall und darum
nirgend heimisch, Goya dagegen ist nur
Spanier, er wurzelt mit seiner Empfindung,
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