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-s5=^> FRANCISCO DE GOYA <^M^
In den Anfängen unterscheidet sich Goya
nicht wesentlich von seinen Mitstrebenden;
die Fresken in Zaragoza könnten gerade so
gut von jedem andern auch sein, seine „Heil.
Familie" im Prado lehnt sich stark und nicht
gerade glücklich an Murillo an, seine ersten
Radierungen versuchen sich erfolglos an Ve-
lasquez, aber schon in seinen Entwürfen für
die Gobelin-Manufaktur (Abb. S. 122 u. 130),
gewinnt er einen Abstand von den Genossen
, der sie für immer weit von ihm
entfernt. Er betrachtete die Ausführung dieser
Kartons als saure Brotarbeit, als ein hartes
Muß und doch war es gerade dieser Auftrag,
der ihn seinem eigensten Gebiet, dem Sittenbild
zugeführt hat.
Wenn über den Szenen dieser Bilder noch
der ewige Sonnenschein des Rokoko-Himmels
lacht, wenn die Majos und Majas, die er hier
vorführt, in Spiel, Gesang und Tanz ihr Leben
zu vertändeln scheinen, so zieht er doch bald
diesem liebenswürdigen Theater des schönen
Scheins den Ernst der Wirklichkeit vor und
schildert uns das Spanien, wie es war, nicht,
wie es die Oper zu sehen liebt. Er hat seine
Landsleute bei der Arbeit und beim Vergnügen
aufgesucht, er begleitet sie auf den Jahrmarkt,
in die Kerker und das Narrenhaus, er beobachtet
sie in gelassener Ruhe und tobend
vor Ausgelassenheit oder Wut und was er
sah, hat er mit wunderbarer Schärfe festzuhalten
gewußt. In seinem Werk pulsiert das
Leben jenes Spaniens, das vor des Künstlers
Augen zugrunde ging und er hat es gepackt
und gestaltet mit derselben Leidenschaft, mit
der seine Zeitgenossen ihrem Untergang entgegenrasten
, mit derselben Furie, mit der
im Ruin die Bestie in ihnen losbrach. Das
wie er sah, ist noch fesselnder, als das, was
er sah, denn Goya ist vor allem Maler, die
Farbe ist seine Seele, seine Empfindung, seine
Sprache. Er geht über die Details hinweg,
um nur das Wesentliche mit hastigen Strichen
zum Ausdruck zu bringen, er verschmäht
den festen Umriß und setzt mit breitem Pinsel
die Farbe in grellen Flecken unverrieben
nebeneinander und gerade damit erreicht er
die höchste Lebendigkeit und rettet die ganze
Frische des ersten Eindrucks auf seine Leinwand
.
Im Beginn seiner Laufbahn ist Goyas Palette
überaus reich, ja, man kann sagen: bunt,
aber in dem nie rastenden Streben, der Natur
so nahe wie möglich zu kommen, beschränkt
er seine Ausdrucksmittel je länger, je mehr,
und als er erkannt zu haben glaubt, daß es
in der Natur überhaupt weder Farbe noch
Linien gebe, sondern daß sie allein mit Licht
und Schatten arbeite, da verwendet er schließlich
nur noch Weiß und Schwarz, ja, er er-
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