Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 150
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0194
-r^&> EDMUND HELLMER ALS KÜNSTLER UND ERZIEHER <^=^

eine Selbstverständlichkeit für die „Gebildeten
", die mangels eines rein künstlerischen
Empfindens auf jedem Kunstgebiete immer
gerade nur den „bestimmten Gedankeninhalt"
suchen, der sie allein anregt und reizt. Namentlich
zur bildenden Kunst, zur Plastik vor allem
treten die schwer in das richtige erfreuliche
Verhältnis. Sie suchen auch hier vor allem
nach dem poetischen Einfall und sondern hie-
von gleichsam ängstlich alles Wesentliche des
plastischen Kunstwerkes als „Technik". Denn
nur aus dieser Zweiteilung — sowohl „Einfall
" als „Technik" wendet sich an den Geist
— nur aus dieser „literarischen" Auffassung
gewinnt der Verstand der Verständigen Freude
an bildender Kunst. Die bildende Kunst hat
aber vorläufig überhaupt nichts „zu sagen",
sie will zunächst nur eine rasche sinnliche
Freude beim Beschauer wecken, wie sie den
etwa überläuft, wenn er die zarte, wohlgeordnete
Blumenkrone eines Maßliebchens anschaut
, wenn ein Sonnenstrahl im Tau Lichter
sprühen läßt oder ein bunter Stein ihm plötzlich
den Sinn entzückt. Solcher Art ist die
Kunst Edmund Hellmers.

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Ich wundere mich trotzdem, daß er verstanden
und geliebt wird. Denn im Grunde
wendet er sich nur an die wenigen Auserwählten
. Ein herrischer Künstlerwille stößt
leicht ab, an der Vornehmheit geht Se. Majestät
das Publikum, wie es Dehmel einmal nennt,
gerne und achtlos vorbei, und das unliterarische
Kunstwerk vollends ist heute, bei Gott, fast
nur „Kunst für Künstler". Gleichwohl ist
Hellmer heute vielleicht der einzige österreichische
Bildhauer von internationalem Rufe
und selbst das Vaterland feiert ihn, wenigstens
mehr, als irgend einen andern. Ich will versuchen
zu zeigen, woher das kommt.

*

Ich habe oben von der Vollendung und Geschlossenheit
seiner Arbeiten gesprochen. Das
gilt nur in dem Sinne: sie erreichen eine Vollkommenheit
in der erfinderischen und schöpferischen
Behandlung von Material und Form. In
einem anderen Sinne sind sie unvollkommen:
man erfährt aus ihnen, daß die Sehnsucht ihres
Schöpfers über alles Erreichte hinausging und
man merkt, daß alles Erreichte mit Anspannung
aller künstlerischen Kraft erreicht wurde, gleichsam
mit zusammengebissenen Zähnen und geballter
Faust. Der Weg zur Vollkommenheit
führt über Unzufriedenheiten. Hellmer „arbeitet
sich nicht leicht", nicht ohne Kampf und
Krampf und alle Qual. Es sind die schmerzlichsten
Wehen, die der Geburt vorangehen.
Und dieses Drängen der Leidenschaft nach

ihrem Ausdruck lassen die Werke sehen.
Darum bekommt man in ihrem Anschauen
seinen bescheidenen Anteil an dem Künstlerdasein
, an der Schöpferstunde, der das Werk
sein Entstehen dankt, und ein Mensch mitsamt
seinen Seelenzuständen tritt uns nahe.
Das besticht immer.

Ebenso einnehmend ist die Hellmer eigentümliche
Vorliebe für die dargestellte „Szene".
Sie ist sehr bezeichnend, diese Vorliebe und
macht sich an vielen Werken, so unliterarisch
sie sonst sind, mehr oder minder deutlich bemerkbar
. Schon am großen Parlamentsgiebel
waren alle Figuren durch einen dargestellten
Vorgang in künstlerischen Zusammenhang gebracht
durch die symbolisierende Handlung der
Huldigung; und am Türkendenkmal war es
wieder ein umfassender Gedanke, der bis in
Ornamentik und Architektur alles in künstlerischer
Beziehung erhielt: der sieghafte Ausfall
der befreiten Wiener durch ein Stadttor.
Aehnlich selbst bei einer Einzelfigur, bei
J. E. Schindlers Denkmal im Stadtpark (Abb.
S. 159). Schindler ist als beschaulich ausruhender
Wanderer gedacht; seine Figur ist
selbst in Schindlersche Bildstimmung gebracht
. Es war wieder eine „Szene" geworden
, diesmal, wie beim Salzburger Elisabethdenkmal
, durch die ins Kunstwerkeinbezogene,
zu künstlerischer Wirkung ausgenützte Lokalität
(Abb. S. 154 u. Jahrg. 1900/01 S. 532). Von
gleichem Reiz ist — um ein letztes Beispiel
zu zeigen - der Entwurf zum Strauß-Denkmal
(Abb. S. 147): Der Ewigjunge spielt die
Geige, die volkstümlichen Gestalten des „Rathausmannes
" und des „Donauweibchens" lauschen
ihm, ein verernsteter Amorettenkranz
umschwebt ihn und durch die offene Pergola
blickt ein feines stilles Wiener Landschaftsbild
herein. Eine derartige Belebung verfehlt
selten ihre Wirkung auf den Beschauer. Ein
lebhafteres Interesse für den dargestellten Vorgang
wird in ihm erregt. Er sieht nicht bloß
den festgehaltenen Augenblick, sondern seine
angeregte Phantasie zeigt auch die vorhergegangenen
und kommenden Situationen . . .
Und das, glaube ich, erklärt ebenfalls seinen
frühen und dauernden Erfolg.

Sein Leben verläuft ohne große Ereignisse.
Hugo Wolf, der dem Künstler nahestand,
würde von ihm sagen : er lebt noch und schafft,
alles andere tut nichts zur Sache. Von seinen
zahlreichen Arbeiten bringt dieses Heft eine
schöne Auswahl. Sie erklärt sich wohl am
besten durch Betrachtung, die ein Wort nicht
unterbrechen und stören soll. Dagegen will

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