http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0196
^=^> EDMUND HELLMER ALS KÜNSTLER UND ERZIEHER
ich noch von seiner Lehrtätigkeit reden und terial heraus komponiert, keiner in seinem
von seiner Meinung über die eigene Kunst. Material arbeitet.
• •
Edmund Hellmer ist schon als junger Meister, Das ist die „Verantwortlichkeit gegen das
zwischen Zwanzig und Dreißig, an die K.K. Aka- Material", von der ich früher gesprochen habe,
demie der bildenden Künste in Wien berufen Immer - - man kann es an jeder großen Kunstworden
und wirkt heute noch als uneigen- epoche verfolgen — ist das Material und seine
nütziger, ausgezeichneter
Lehrer und Abgott
aller seiner
Schüler an derselben
. Er hat
vor einigenjah-
ren eine Broschüre
herausgegeben
,*) die
nach seiner Intention
zunächst
wohl nur
für die österreichische
Unterrichtsverwal
tung
und für
seine Schule
geschrieben
wurde, deren
Wirkung und
Bedeutung aber
weit über die
Absicht hinaus
reichte. Ihr Stil
ist absonderlich
,kurzeSätze
und Absätze,
klingend wie
Meißelschläge
auf Stein, die
Bilder fremd
und groß, lauter
Zeugnisse einer
überstarken
Vorstellungskraft
. Der Inhalt
mutet dagegen
wie eine
Selbstverständlichkeit
an, es
lag und liegt das
Gesagte förmlich in der Luft, und mit Händen
ließ es sich greifen, nur hat er es als Erster
klar und deutlich ausgesprochen: die Bildhauerei
von heute liegt im Argen, weil dem
Künstler und dem Publikum das „plastische
Empfinden" abhanden gekommen ist, weil
fast kein Bildhauer von heute aus dem Ma-
EDMUND HELLMER
GRABMAL FÜR NIKOLAUS DUMBA
Beherrschung
das Maßgebende
für die Komposition
eines
Kunstwerkes.
Es ist mehr als
klar: der kaum
zu bearbeitende
Granit, aus dem
die Aegypter
sich mühten, ist
die Grundursache
der einfachen
Geschlossenheit
ihrer monumentalen
Göttergestalten
, der
leichterzu meis-
ßelnde Marmor
der Griechen
erlaubt ihren
Bildungen weit
größere Freiheit
, die Bronze
nahezu Beweglichkeit
, und die
neue Körperwelt
, die Michelangelo
geschaffen
, die Fülle
der Bewegungen
, die er aufdeckt
und aufweist
, wird einzig
und allein
durchihren Entstehungsprozeß
im Material erklärt
.*)
Vor einer solchen Erkenntnis kann der
herkömmliche Unterricht an der Kunstschule
nicht bestehen. Es gilt ja nicht, wie bisher,
Modelleure heranzubilden, die sich an Lehm
oder Wachs versuchen und ihre Schöpfung
dann von Arbeitern im Material erst ausführen,
") >Lehrjahre der Plastik«, Wien 1900.
*) Vergl. Ad. Hildebrand, Das Problem der Form
in der bildenden Kunst, Straßburg 1897.
152
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0196