Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 156
(PDF, 165 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0200
-=5=4=^> EDMUND HELLMER ALS KÜNSTLER UND ERZIEHER <&$^

bare Abbild meiner künstlerischen Vision
herauszumeißeln, dann ist's, als wäre dieses
gleichsam gebannt in ihn und ich müßte es
befreien, hervorholen aus ihm; jeder Meißelschlag
bringt mich dem Wunsche nach Materialisation
meiner Vorstellung näher, es drängt
mich förmlich dazu, bis die letzte Ecke und
Kante abspringt, das letzte Restchen des Steinhintergrundes
fällt und mein Werk befreit
ist. Oder es ist, — Michelangelo beschreibt
einmal den Fortschritt der Steinarbeit so
als wenn ein fertig Bildwerk versenkt in
Wasser liege und nun sinke Linie um Linie,
Ruck um Ruck das Wasser und die Figur
trete immer mehr und mehr aus dem Wasser,
bis sich das ganz verläuft und sie völlig frei
daliegt.*) Beim Modellieren in Ton ist der
Vorgang ein umgekehrter und deshalb dient
es nach wie vor am besten dem Studium
der Natur und der Kenntnis des Details.

den ein solcher Darstellungsprozeß der Arbeit
verleiht. Und beginnt zuletzt mit dem Autor
der „ Lehrjahre" an eine Renaissance der Plastik
zu glauben und hilft mit, sie wieder zu gewinnen
, die uns verloren zu gehen drohte.

#

Ich will zuletzt nur auf eines hinweisen:
alle Arbeiten der Hellmer-Schule haben bei
völlig ungehinderter Entfaltung der einzelnen,
differentesten Individualitäten ein Gleiches,
Gemeinsames an sich. Was ist dies Gemeinsame
? Wie fliegt ihnen dieses an? Ich will
versuchen darauf zu antworten: sie haben
alle keinen Stil, d. h. keinen fremden, erborgten
, keinen ersonnenen, keinen unberechtigten
Stil. Den Stil — und dies ist die letzte
Wahrheit, eine „kleine, ungebärdige, schreiende
Wahrheit", die der Künstler und Erzieher
Hellmer predigt, - darf und muß das
Material allein dem Bildhauer aufzwingen.

Im Grunde sind all diese Gedanken heute
noch ungestillte Träume des Lehrers und aller
seiner Schüler. Nur zum Teil konnten bisher
ihre Wünsche erfüllt werden. Eins aber und
vielleicht das Wesentlichste ist längst erreicht
und verwirklicht: die Hellmer-Schule besitzt
bereits seit Jahren tief drunten in der Pra-
terau ein wirkliches und wahrhaftiges Steinatelier
, in welchem die
Schüler mit ihrem
vornehmsten Material
vertraut werden.

Man kann aus ihren
Arbeiten auch schon
ersehen, wie rasch
der Formgewandte das
rein Technische des
Meißeins erlernt und
wie jedem der Befaßten
heute schon hie-
durch zumindest die
Ueberarbeitung und
sogenannte letzte Ausführung
seiner Arbeiten
in Stein ermöglicht
worden ist. Man
wird an den Stücken,
die „frei" aus dem
Stein herausgehauen
sind, nach der Natur
und einer Skizze im
kleinsten Maßstab,
den innern Wert und
hohen Reiz spüren,

*) Ad. Hildebrand im
zitierten Buche.

GEDANKEN ÜBER KUNST-)

>Kunst ist nichts, wo sie nicht der Ausdruck
persönlichen Geistes ist. Ein chinesischer Maler des
sechsten Jahrhunderts erklärte die Malerei für die
Bewegung seines Geistes im Rhythmus der Dinge.
Ein anderer Chinese aus der Zeit der Sung-Dynastie
(elftesJahrhundert) nannte sie in der epigrammatischen
Ausdrucksweise jenes
Zeitalters den Geist
auf derSpitze desPinselsA
»Kunstverständnis beruht
immer auf einer Gemeinschaft
des Geistes.
Der Werteines Bildes liegt
in dem Menschen, der hinter
seinen Farben zu uns
spricht. Es ist seine Tonfarbe
, von der unsere Reaktion
auf seine Persönlichkeit
abhängt, nicht
die Stimmung seines Instrumentes
oder der Umfang
seiner Stimme. «

> Warum den Drachengeist
der Kunst in Ketten
legen ! Er entschlüpft dir,
immer lebendig und göttergleich
in seinen Wand-
lungen.Wares einGrieche,
der gesagt hat, daß er
Grenzen der Kunst durch
das,was er getan, bezeichnet
habe! Die Napoleons
des Pinsels gewinnen beständig
Siege, unbekümmert
um die Dogmen der
akademischen Strategie.«

EDMUND HELLMER

GLOBUSFUSS

*) Aus »Moderne Probleme der
Malerei". Vortrag gehalten auf
dem Kongreß von St. Louis 1904
von Okakuro Kakuzo, Vizepräsident
der Gesellschaft japanischer
Maler. Kiel, Verlag von Walter
G. Mählau.

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