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DIE ZWEITE AUSSTELLUNG DER KGL. AKADEMIE DER KÜNSTE ZU BERLIN
LOUIS TUAILLON
HIRSCH
//. Ausstellung der Akademie der Künste, Berlin
treibende Kraft in der Person des neugewählten
, verhältnismäßig jugendlichen Präsidenten
, Professor Arthur Kampf, sucht.
Dessen einstimmige Wahl zeigt, daß die ehrwürdige
Korporation der Akademie ein frisches
, vorwärtsschauendes Leben durchpulst,
daß sie ernsthaft gewillt ist, reaktionäre Zöpfe
abzuschneiden und neue Strömungen, sobald
sie für ein stetiges Fahrwasser bürgen, anzuerkennen
.
Die Zahl der ausstellenden Mitgliedern ist
nicht groß, daher auch die Gesamtzahl der
Kunstwerke wohltuend klein: der Katalog zählt
keine 100 Nummern.
Daher kann denn auch, bei einer vorzüglichen
Anordnung in den acht Räumen des
Hauses, jedes einzelne Objekt deutlich zum
Beschauer sprechen, ohne eine vorlaute, freundnachbarliche
Konkurrenz fürchten zu müssen.
Geben wir den Gästen die Ehre des Vortritts
. Die glänzende Porträtkunst John S.
Sargent's ist erst vor kurzem in diesen Blättern
eingehend gewürdigt worden, so daß sich
ein längeres Verweilen bei seinen Bildern erübrigt
, zumal fünf seiner Bildnisse, Sir Hamilton
, die Misses Acheson, Lord Ribblesdale,
Gräfin Warwick und Fr. C. Penrose, bereits
im Sommer in Venedig ausgestellt waren und
unseren Lesern zu Beginn des laufenden Jahrgangs
in Reproduktionen bekannt gegeben sind.
Hinzugekommen ist das ungemein schwungvoll
gemalte, sprühende Porträt der Frau Robert
Mathias (Abb. S. 187), impulsives Leben
und Pose zu guter Wirkung verbindend, das
fein modellierte, prachtvoll aufgefaßte Bildnis
einer älteren eleganten Dame, der Frau Asher
Wertheimer, und endlich der breit und pastos
gemalte Kopf Joseph Joachims. Die beiden
letzten, im Jahre 1904 entstandenen Porträts
zeigen die geniale Weise des Künstlers, seine
Technik dem Wesen des jeweilig Darzustellenden
anzupassen.
Wie Gegenpole erscheinen zwei weitere Por-
trätisten unter den Gästen: Reinhod Lepsius
und Hans Olde. Von ersterem ein Damenporträt
und ein eigenartig angeordnetes Gruppenbildnis
der Gräfin York von Wartenburg
mit ihren Kindern, in der überdelikaten, allzu
sensiblen Art eines unendlich wählerischen
Farbengeschmacks, von letzterem das kräftige
Porträt eines alten Herrn in dunklem Anzug
und Pelzmütze vor dick verschneiten Bäumen
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