Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 172
(PDF, 165 MB)
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DIE ZWEITE AUSSTELLUNG DER KGL. AKADEMIE DER KÜNSTE ZU BERLIN

wobei der hellbeleuchtete Schnee bläuliche
Reflexe auf das rote Gesicht wirft (Abb. S. 183).

Karl Bantzer hat außer einem riesenhaft
wirkenden „Erntearbeiter" eine Gruppe hessischer
Bauern im ernsten Sonntagshabit geschickt
; fein durchgebildete Köpfe von scharfer
Charakteristik (Abb. S. 173).

Ein aus dem Jahre 1896 stammendes Bildchen
von L. Dettmann : ein in einem gewaltigen
Sopha verlorenes Kind mit der Rückenfigur
der Mutter davor zeigt unsere Abb.
S. 180; ein anderes, ganz neues, von goldigem
Helldunkel durchwobenes Bild hat eine
von Hans Thoma herüberklingende Gefühlsnote
neu angeschlagen (Abb. S. 185).

Gotth. Kuehl zeigt sich, wie immer, als
feiner Kolorist und Leistikow stellt neben
einer saftigen Flußlandschaft einen kleinen
Hafen mit Lotsenbooten aus: der Vordergrund
schwer und in kalten Tönen gehalten, während
dahinter der sonnige Strich eines weiten
Flusses mit blendenden Segeln und einem
einzigen warmen Rot im Rumpf eines Schiffes
herüberleuchtet (Abb. S. 183).

Stuck hat das alte Thema der Kreuzigung
neu zu formen versucht (Abb. S. 179). Eine
grausige Szene ist daraus geworden. Schief
hängt das eine Kreuz mit dem Schacher als
schwarze Masse vor dem roten Himmel, der
wie ein blutgetränkter Vorhang sich spannt.
Am linken Bildrande Christus in Profilansicht
; von rechts her schiebt sich eine Gruppe
von vier Personen heran, beginnend mit einem
Krieger, endigend mit der Figur des Johannes,
der zusammen mit Magdalena die ohnmächtig
sinkende Mutter stützt. Nicht langanhaltender
Schmerz ist es, sondern ein spontanes
Enisetzen, das die vier Menschen durchzuckt
, hervorgerufen durch das plötzliche
Aufflammen eines schwefelgelben Glorienscheines
um dem Haupte des Gekreuzigten.
Dies Gelb klingt schrill durch das Bild, das
sonst — in gut verwendeter Farbensymbolik
- - nur ein schweres Rot und ein bläuliches
Grün in den Gewändern rechts zeigt.
Paradiesisch sonnig und leicht wirkt daneben
das Nymphenbad von Ludwig von Hofaiann
(Abb. S. 175).

Mit der Wahl der zur Ausstellung aufgeforderten
Bildhauer kann man wohl zufrieden
sein. Obenan steht Ignatius Taschner; sein
köstlicher, humorvoller Wanderer zeugt ebenso
von seinem Können und Stilgefühl wie seine
kleine Schiller-Statue, die ungemein energisch
und schlicht aufgefaßt ist. An der Kinderbüste
von Josef Flossmann tritt eine fabelhaft
weiche Behandlung des Fleisches hervor
, die ein lebhaftes Spiel von Licht und

Schatten zeitigt. Fritz Klimsch hat außer einer
Frauenbüste einen großen, für die Handelshochschule
in Berlin bestimmten Merkur (Abb.
S. 171) ausgestellt; Constantin Starck eine
fein bewegte „Kranzspenderin", sowie ein ganz
in antikem Sinne aufgefaßtes, poetisch durchgefühltes
Relief. (Abb. S. 169). Endlich überrascht
Max Kruse durch seine Holzbüste der
Frau Dernburg und ihrer beiden Kinder (Abb.
S. 178), jedenfalls ein origineller Wurf - ■ ob
er auch glücklich zu nennen ist, steht dahin.

Die Architekturabteilung der Ausstellung
ist nicht allzu reichlich beschickt: als Gäste
sind dazu erschienen: Prof. Christoph Hehl
mit dem durch eine interessante Grundrißentwicklung
ausgezeichneten Entwurf für die
Pfarrkirche in Spandau, sowie dem Entwurf
für eine Kirche in Zehlendorf, der eine sehr
gut wirkende Dächergruppierung besitzt, ferner
Prof. A. Fischer in Stuttgart, Prof. A.
Hofmann in Darmstadt, sowie Prof. Otto
March, dessen erfindungsreicher Entwurf für
das Stadion auf dem Rennplatz Grunewald
besonders interessiert.

Als Mitglieder haben ausgestellt: Stadtbaurat
L. Hoffmann Ansichten des prachtvoll
malerischen Neubaues für das Märkische
Museum in Berlin; Joh. Otzen mehrere
Entwürfe für die evangelische Zentralkirche
in Mannheim und endlich Baurat Franz
Schwechten Ansichten und Modelle von Kölner
Brücken.

Es würde zu weit führen, Stück für Stück
die Ausstellung durchzusprechen, zumal die
Objekte nicht immer nur Neues bieten, sondern
teilweise vor längeren Jahren geschaffene
Werke wieder hervorgeholt sind. Die Bedingung
, sich nur mit Schöpfungen neuesten
Datums an den jährlichen Revuen zu beteiligen
, sollte allerdings unserer Meinung nach
von der Ausstellungsleitung gestellt werden;
wir wünschen keine Rückblicke, sondern Ausblicke
.

Gaul's Meisterschaft in der Tierplastik tritt
bei der prachtvoll modellierten Fischotter
(Abb. S. 176) wieder zutage; großflächig und
ruhig, wie ein ins Monumentale übersetztes
Werk von Gaul, ohne aber dessen strenge
Konzentration der Massen beizubehalten, beherrscht
der gewaltige Hirsch von Tuaillon
(Abb. S. 170) einen der großen Säle.

Von Otto Lessing sehen wir einen stark,
aber unruhig bewegten Bogenschützen vom
Jahre 1893 (Abb. S. 188) und daneben einen
neu geschaffenen sitzenden Adam, der ebenfalls
nur ein mit starken Kontraposten arbeitendes
Bewegungsmotiv darstellt, und seine
Vorbilder in den michelangelesken Propheten

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