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-sj-4^> DIE KÜNSTLERISCHE MEDAILLE UND IHRE GESCHICHTE <^=^
VITTORE PISANO MEDAILLE AUF MALATESTA NOVELLUS VON CESENA
VORDER- UND RÜCKSEITE
und rechneten für diese auf die Wertschätzung
der Mitlebenden. Die Künstlernamen eines
Kimon, Euainetos, Eukleidas und andere sind
auf diese Weise der Nachwelt überliefert worden
. Aber dabei ist dem griechischen Prägestück
die Bestimmung und der Charakter der
Geldmünze stetsgewahrtgeblieben. Nurneben-
her und in schwachen Ansätzen klingt vereinzelt
eine andere Auffassung ihrer Bedeutung an.
Wenn die Fürsten von Syrakus auf ihre Münzen
das Bild eines Viergespannes mitseinem Lenker
setzten, dem aus den Lüften die Siegesgöttin
entgegenschwebt, so wollten sie damit die Erinnerung
an die Siege feiern und festhalten,
die sie mit ihren Gespannen in der Rennbahn
von Olympia errangen (Abb. S. 193).
Man sieht, die Münze nimmt den Charakter
eines Erinnerungsmales an und damit einen
Wesenszug, an den die künstlerische Entwicklung
in der Folge anknüpfte.
Die Römer sind die Schöpfer des nüchternen
, ohne künstlerische Ambitionen rein praktischen
Zwecken dienenden
Geldstückes, wie es seitdem
die Welt beherrscht, auf ihren
Münzen aber gewinnt der Gedanke
breiteren Boden, durch
bildliche Darstellungen und Inschriften
das Gedächtnis historischer
Vorgänge festzulegen
. Zwar handelt es sich auch
jetzt noch in den weitaus meisten
Fällen um die kursierende
Geldmünze, doch kommen
ganz vereinzelt schon Prägestücke
vor, die durch Größe
und Besonderheit der Form
HUBERT PONSCARME
MEDAILLE AUF JOSEPH NAUDET
ausgezeichnet und wohl nie im Kurs gewesen
sind.
Diesen Zug nun, der bisher nur Nebengedanke
und Begleiterscheinung gewesen
war, greift die italienische Renaissance heraus
, formt ihn zum Hauptzweck und schafft
damit aus der Münze die Medaille. Sie ist
ein Wesen anderer, vornehmerer Art als ihre
Vorgängerin. Sie dient nicht mehr dem
Verkehr und ist daher nie auf den Münzfuß
des kursierenden Geldes gestellt worden
. Ihre alleinige Bestimmung ist, die Erinnerung
an bestimmte geschichtliche Begebenheiten
oder Ereignisse aus dem Leben
einzelner, auf die Höhe gestellter Persönlichkeiten
wach zu erhalten. Dabei weist aber
die äußere Form deutlich auf den Ursprung
aus der Münze zurück, von der sie nur ihre
meist beträchtliche Größe äußerlich sofort
unterscheidet und noch mehr ihre innere Natur
: die Medaille ist zum selbständigen Kunstwerk
geworden, sie ist sich Selbstzweck.
In dieser neuen, durch Evolution
aus dem Urwesen gewonnenen
Auffassung ist die
Medaille eine freie Schöpfung
der italienischen Blütezeit, und
ihr Schöpfer heißt Vittore
Pisano. Er hat den Typus der
künstlerischen Medaille als
einer neuen Wesenheit für die
Folgezeit festgelegt. In der
Freiheit und Größe der künstlerischen
Gedanken, der Sicherheit
des Stilgefühls und der
meisterhaften Behandlung des
Formalen und Technischen
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